Das Eisschießen Spiel
Jede Jahreszeit hat ihre eigentümlichen Schönheiten und Reize, und obgleich besonders die wärmeren Zeiten des Jahres es sind, die uns ins Freie rufen, und einen mannigfachen Stoff zu den verschiedenartigsten, schuldlosen Vergnügungen darbieten, so muß man doch auch dem Winter die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er ebenfalls eigentümliche Ergötzlichkeiten im Freien gewähre. Auch der Blick auf das jetzige → Kupfer zeigt uns den Winter in seiner ernsten und angenehmen Gestalt. Wir sehen auf dem Kupfer ein freundliches Landhäuschen mit kleinen und sparsam angebrachten Fenstern. Dicker Rauch steigt aus dem kleinen Schornsteine in die Höhe und verkündet des Frostes Nähe, und der Bewohner Streben, den strengen Gast wenigstens aus jenem engen Raume zu verscheuchen. Mehrere Obstbäume und Fruchtsträucher stehen um das Haus herum, aber blätterlos und totenähnlich. Nur die drei Tannen, die noch die Einfassung des Hauses verschönern, sind ihrer Tangeln nicht beraubt; doch schwerer Schnee belastet die Äste und beugt sie darnieder. Vor dem Hause zeigt sich eine große Fläche, an deren Ende mehrere erwachsene Personen stehen und sitzen, um sich auf dieser Fläche, die nichts anderes als ein spiegelglattes, vom Schnee gereinigtes Eisfeld ist, auf eine schuldlose Art zu vergnügen.
Sie spielen das Eisschießenspiel.
Zu diesem Spiele ist jeder der Teilnehmer mit einem Eisstocke versehen. Dies ist eine hölzerne Scheibe, die unten sehr glatt gedreht und mit einem aufwärts stehenden Stiele versehen ist, damit man sie anfassen und gehörig regieren kann. Zuweilen ist diese Scheibe noch mit einem eisernen Ringe umgeben, der indessen überflüssig ist, weil er teils das Gewicht der Eisstöcke unnötiger Weise vermehrt, teils diese Scheiben selbst teurer macht. Mit diesen Eisstöcken nun wird nach einem auf dem Eise vorgesteckten Ziele geschossen. Es besteht aus einem viereckigen, hölzernen Klötzchen und wird das Hasel genannt. Auf dem Kupfer sieht man sowohl dieses Ziel als auch bereits fünf nach demselben abgeschossenen Eisstöcke, in seiner Nähe einen Mann, der eben im Begriffe ist, seinen Eisstock noch abzuschießen, und einen Andern, der dieses Instrument noch unter dem Arme hält. Es können an diesem Spiele vier, sechs, acht, zehn und mehr oder weniger Personen in gerader und ungerader Zahl Teil nehmen. Der Rang und die Ordnung, die jede der zu diesem Spiele vereinigten Personen einnehmen soll, wird dadurch bestimmt, daß Jeder mit seinem Eisstocke nach dem Hasel schießt. Wer diesem Ziele am nächsten gekommen ist, der erhält den Namen Engmaier. Besteht der Spielverein aus acht Personen, so werden dem Engmaier drei Gehilfen gegeben, und dazu werden diejenigen erkoren, die nach ihm dem Hasel am nächsten zu stehen gekommen sind. Nun sind noch vier Personen übrig. Wer unter diesen mit seinem Eisstocke in die größte Nähe des Hasels traf, der bekommt den Namen Weitmaier. Die noch übrigen drei Personen, die also am weitesten vom Ziele entfernt blieben, werden die Gehilfen des Weitmaiers und machen die Gegenpartei vom Engmaier mit seinen drei Gehilfen aus. Der Weitmaier macht allemal den Anfang des Spieles und hat den ersten Schuß. Nach ihm kommt der Engmaier, der seinen Gegner vom Ziele zu entfernen bemüht ist. Den selben Zweck suchen auch die beiderseitigen Gehilfen der Maier zu erreichen. Die Partei desjenigen Maiers, der dem Hasel am nächsten ist, hat gewonnen und zählt nun sechs. Hier ist nun auch die erste Partei des Spieles zu Ende. Der siegende Maier beginnt mit dem ersten Schusse die zweite Partie und gewinnt er auch diese, so zählt er neun, und ist er auch bei der dritten Partie eben so glücklich, so zählt er zwölf und das ganze Spiel ist geendigt. Soll das Spiel wiederholt werden, so müssen auch neue Maier erwählt werden Hierbei hat derjenige der im vorigen Spiele den Sieg davon trug, den Vorzug denn er macht auch in dem neuen den Anfang während derjenige der besiegt wurde mit seinem Schusse bis zuletzt warten muß. Die übrigen Personen schießen ihre Eisstöcke zuerst in beliebiger Ordnung ab und werden nun auch wieder nach ihrer größeren oder geringern Nähe am Ziele in Parteien abgeteilt, eben so wie bei dem ersten Spiele. Noch sind einige besondere Regeln des Spiels zu merken.
1) Der Maier hat das Recht, jedem seiner Gehilfen vorzuschreiben, wo hin er seinen Schuß richten soll, und ihm selbst sind jedesmal zwei Schüsse vergönnt. Allein dafür muß er auch, wenn er mit seinen Genossen verliert, an den gewinnenden Maier doppelt zahlen. Der Preis des Spieles hängt indessen von der Übereinkunft Aller ab.
2) Der Maier und seine Gehülfen müssen gegenseitig genau auf sich Achtung geben damit nicht die Unvorsichtigkeit eines Einzigen das ganze Spiel verloren mache. Denn wenn z.B. der Engmaier dem Hasel am nächsten war, das heißt mit dem hierbei üblichen Kunstausdrucke, wenn er Schuß hatte, so sollte nur einer von der Partei des Weitmaiers schießen. Unterbleibt dieses aber dadurch, daß ein Gehilfe des Engmaiers aus Versehen seinen Eisstock gleich abschießt, so ist nicht nur diese Partie, sondern auch das ganze Spiel verloren. Indessen läßt sich diese Regel auch nach der Übereinkunft der Gesellschaft verändern, so daß ein solcher Fehlschuß entweder nur als verloren gilt, oder doch nur eine Partie die eben gespielt wird dadurch beendigt wird.
3) Zählt eine Partie eher zwölf als die andere sechs gezählt hat, d.h. hat sie eher alle drei Partien gewonnen und die andere keine einzige, so heißt dies schneidern. Es kann aber auch geschehen, daß eine Partei neun zählt, also zwei Partien gewonnen hat, ehe die andere noch etwas zählte und das Glück kann sich wenden. Eben diese Partei kann nun von der dritten Partie an rasch hintereinander weg gewinnen und eher zwölf zählen, als jene, die auf ihrer Zahl neun stehen blieb. In diesem Falle ist sie zurück geschneidert oder gegrenelt worden und das Spiel muß doppelt bezahlt werden.
4) Der Zufall kann bewirken, daß zuweilen alle Eisstöcke von Hasel gleich weit entfernt stehen, so daß man auch durch den Maßstab keine Verschiedenheit entdecken kann. In diesem Falle wird Kehr gemacht, oder eine ganz neue Partie begonnen.
5) Sind die Teilnehmer des Spieles in ungerader Zahl, z.B. etwa ihrer sieben, so erhält der Engmaier nur zwei Gehilfen und die übrigen vier spielen ohne Weitmaier.
Da dieses Spiel Hände und Füße und den ganzen Körper in eine mäßige Bewegung setzt und das Augenmaß vervollkommnet, so kann es auch von jungen Menschen als ein angenehmes Wintervergnügen auf sichern Eise genossen werden. Dann darf aber freilich Gewinnsucht bei diesem Spiele nicht leiten, wenn es nicht aufhören soll, ein schuldloses Spiel zu sein.