Bewegungsablauf

Der Bewegungsablauf

Allgemeines

Bewegungsabläufe sind koordinierte (aufeinander abgestimmte), willkürliche (frei gewählte und willentlich herbeigeführte) Abfolgen von Einzelbewegungen, die meist fest eintrainiert sind. Zur genaueren Analyse werden Bewegungsabläufe in zwei mögliche Formen – zyklisch und azyklisch – ein- sowie in Strukturphasen (Zeitphasen) unterteilt. Während man bei den zyklischen, sich wiederholenden Bewegungsabläufen zwei Zeitphasen unterscheidet, sind es bei den azyklischen (sich nicht wiederholenden) Bewegungen drei Phasen.

Bewegungsform azyklisch zyklisch
Struktur- oder
Zeitphase
Vorbereitungsphase Hauptphase
Hauptphase
Zwischenphase
Endphase

Der Bewegungsablauf beim Eisstockschießen ist rein ergebnisorientiert. Dabei spielt die Qualität der Bewegungsausführung – solange sie sich nicht negativ auf das Ergebnis auswirkt – keine Rolle.

Zentrale Bedeutung für eine optimale Ausführung des Bewegungsablaufs hat die → Bewegungskontrolle. Bei diesem körperinternen Vorgang wird das Bewegungssystem so koordiniert, dass geplante und ungeplante Bewegungen so ablaufen, dass deren beabsichtigtes Ziel sicher erreicht wird. Im Unterbewusstsein werden hierbei auch Umgebungsreize und psychische Einflüsse verarbeitet. Im Hinblick auf die Bewegungssteuerung ist deshalb auch die Vorphase der Bewegung in den Bewegungsablauf mit einzubeziehen.

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Vorphase des Bewegung

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Phase der Entscheidung
Vor Beginn des eigentlichen Bewegungsablaufs stellt sich die Frage a) wer? b) was? c) wie? tun soll. Die Entscheidung hierüber muss aus → taktischen Überlegungen heraus und in der Zusammenschau mit dem Leistungsvermögen der Spieler getroffen werden (Soll-Ist-Reflexion). Der Entscheidungsfindungsprozess, in den zur Vermeidung von Missverständnissen nach Möglichkeit die ganze Mannschaft einzubeziehen ist, sollte trotz der gebotenen Sorgfalt zügig abgeschlossen und nicht unnötig in die Länge gezogen werden.
Am Ende dieses Entscheidungsprozesses muss die Frage d) warum? die Entscheidung so getroffen wurde, überzeugend beantwortet werden können – denn nur überzeugtes Handeln ist erfolgreiches Handeln.

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Vorbereitung des Sportgerätes und des Umfeldes
Nach der Wer-Was-Wie-Entscheidung wechselt der Spieler ggf. die Laufsohle des Stockes oder wirft zumindest nochmals einen prüfenden Blick auf die sich bereits am Stock befindliche Platte. Bei Bedarf wird durch Aufrauen des Griffbelages oder „Einpudern“ mit Magnesium die Griffigkeit des Stieles erhöht. Dabei kann es sich aber auch um ein ritualisiertes Verhalten handeln, das dem Spieler suggeriert, alles Notwendige zum Gelingen des Versuchs getan zu haben und dadurch mehr Sicherheit verleiht.
Möglicherweise störende Gegenstände (Stöcke, Daube) oder Personen im Blickfeld des Spielers sind zu entfernen. Dies kann in unterstützender Weise auch durch Mitspieler erfolgen, sofern es sich hierbei (z. B. demonstratives Entfernen der Daube aus dem Sichtbereich) nicht ebenfalls um eine → Ritualisierung handelt.

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Stockaufnahme

Der Spieler nimmt den Stock bewusst auf indem er ihn mit den Fingern am Griffstück umfasst. Das Stielende sollte mit der Handkante abschließen, der Daumen wird an der Vorderseite an den Griff angelegt. Der Stiel kann bei der Schussabgabe dadurch leichter aus der Hand gleiten. Die sogenannte „Hammerhaltung“, bei der der Griff mit Fingern und dem Daumen umschlossen wird, ist zu vermeiden.

richtig falsch

Auf eine gleichbleibende Griffigkeit (Feuchtigkeit, Rauheit) während der Dauer der Sportausübung ist zu achten.

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Vorbereitungsphase

In der Vorbereitungsphase werden optimale Voraussetzungen für den Bewegungsablauf geschaffen. Im Einzelnen sind dies ein fester Griff, sicherer Stand, optimale Winkelverhältnisse in den Gelenken und Aufbau von Muskelspannung und potentieller Energie (Lageenergie). Teilbereiche der Vorbereitungsphase sind

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Eintreten in die Abspielstelle
Nach der Stockaufnahme tritt der Spieler zur Abspielstelle und nimmt die Grundstellung ein. Dabei ist insbesondere auf die → Fußstellung und die → Körperhaltung an.

Fußstellung:

Das auf der Seite des Schussarmes befindliche Bein wird als Standbein bezeichnet, das Bein mit dem der Ausfallschritt ausgeführt wird ist das sog. „Ausfallbein“. Fußspitze und Ferse des Ausfallbeines sowie die Ferse des Standbeines sollten sich auf einer Linie befinden und in Schussrichtung ausgerichtet sein. Der Fuß des Standbeines befindet sich in einem Winkel von 30-60° zur Schussrichtung. Das Ausfallbein ist gegenüber dem Standbein ca. 20-30 cm in Schussrichtung vorgeschoben. Beide Fußsohlen liegen flach auf dem Sportboden auf. Das gesamte Körpergewicht lastet überwiegend auf dem Standbein.

Grundstellung beim Versuch
Nach Regel 413 IER muß der Spieler bei der Abgabe des Versuchs auf der Abspielstelle stehen. Dabei genügt es aber, wenn der Spieler mit einem Fuß die Abspielstelle berührt. Ob ein Versuch gültig ist, wenn der Spieler zu Beginn des Versuchs mit dem Ausfallbein die Abspielstelle noch knapp am Rande berührt, mit dem Ausfallschritt diese Verbindung aber eindeutig unterbrochen wird, ist nicht abschließend geklärt. Soweit eine Standvorrichtung vorhanden ist, ist diese bei der Versuchsabgabe zwingend zu verwenden.

Bei Standvorrichtungen mit Trittplatte richtet der Spieler seine Stellung so aus, daß sich der Fußballen des Standbeines (Druckpunkt) mit der vorderen Begrenzung der Trittplatte deckt (Abb. 1). Alternativ wird der Druckpunkt auf die erhöhte hintere Kante der Standvorrichtung (Abb. 2) verlegt. Weitere Hilfsmittel zur Erhöhung der Standsicherheit dürfen nur im Rahmen der Regel 104 IER bzw. der Festlegungen auf dem IFI-Schiedsrichter Seminar verwendet werden. Dies betrifft insbesondere das Anlegen der Daube an die Standvorrichtung.

Abb. 1 – Stand auf der Trittplatte | Abb. 2 … erhöhter Stand

Körperhaltung:

Standbein und Ausfallbein sind grundsätzlich gerade. Die Knie werden jedoch nicht vollkommen durchgestreckt, so daß auf den Oberschenkeln eine leichte Spannung lastet. Der Beckenbereich befindet sich in einer natürlichen, unverkrampften Stellung, der Schulterbereich ist leicht zum Ziel hin gedreht. Der Oberkörper wird nach vorne gebeugt, so daß ein leichter Rundrücken entsteht.

Abb. 1 – Stellung Becken- / Schulterbereich | Abb. 2 – Vorbeugewinkel

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Einpendeln

Nachdem der Spieler die Grundstellung eingenommen hat, beginnt er mit dem Einschwingen. Der Eisstock wird dabei zunächst durch geringes Abwinkeln des Schwungarmes nach vorne bewegt bzw. leicht angehoben. Anschließend lässt der Schütze den Stock in seine Ausgangsstellung zurückfallen und nach hinten auspendeln. Durch geringen Krafteinsatz wird die Pendelbewegung des Stockes nach und nach verstärkt, so daß nach 2 bis 3 Pendelschwüngen die individuell als optimal empfundene Pendelhöhe erreicht wird.Über das Ellbogen- bzw. Handgelenk wird grundsätzlich keine nennenswerte Kraft auf den Stock ausgeübt. Der Arm bleibt während des Einschwingens durchgestreckt, lediglich zum Ende der jeweiligen Vorwärtsbewegung kann den natürlichen Schwungverhältnissen folgend eine Abwinkelung der Gelenke erfolgen. Idealerweise sollte der Stock exakt in Zielrichtung eingependelt werden.

Einpendeln | Animation starten = MouseOver

Zur Erhaltung des Gleichgewichts wird während des Einschwingens der Oberkörper jeweils entgegen der Schwungrichtung leicht nach vorne bzw. hinten bewegt. Das Körpergewicht wird dabei abhängig von der Schwungintensität vom Standbein auf das Ausfallbein (und zurück) verlagert. Während der Pendelphase sind nur minimale Anpassungen in der Griffhaltung sowie der Fußstellung möglich, wenn dadurch mehr Sicherheit bei der Ausführung des Versuchs suggeriert wird (sicherer Halt des Stieles | stabiler Druckpunkt beim Ausfallschritt). Sobald Störungen auftreten oder das Bedürfnis nach größeren Anpassungen aufkommt, sollte der Versuch abgebrochen und erst nach zwischenzeitlichem Abstellen des Stockes fortgesetzt werden.

Während des Einpendelns werden Beschleunigungs- und Abspielphase noch einmal in Gedanken durchgespielt und bestimmte, gewollte Bewegungssequenzen besonders ins Bewusstsein gerückt. Hierbei erfolgt eine entscheidende Weichenstellung in der → Bewegungskontrolle.

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Anvisieren des Zieles
Mit Beginn der Einschwingphase wird Blickkontakt zum Ziel hergestellt. Spätestens dann, wenn die gewünschte Pendelhöhe erreicht ist, wird ein genauer Zielpunkt definiert werden, der bis zum Beginn der Endphase (Rückkopplung) fixiert wird. Während der Vorwärtsbewegung im Pendelvorgang tritt der Stock in das Blickfeld des Schützen ein. Der Punkt, an dem sich der Stock zum Zeitpunkt der Bewegungsumkehr befindet sollte bei mehrmals aufeinanderfolgenden Schwingbewegungen in gleicher Relation zu dem anvisierten Fixpunkt stehen.

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Entschlussfassung
Nach zwei bis drei weiteren Pendelschwüngen in „optimaler“ Schwunghöhe bestimmt der Spieler einen Zeitpunkt, an dem ein Abgleich der gewünschten mit den gegebenen Voraussetzungen für die Ausführung des Versuchs erfolgt (Soll-Ist-Ableich). In der Regel ist dies der Zeitpunkt, in dem der Pendelschwung den maximalen Ausschlag in Zielrichtung aufweist. In diesem Augenblick entscheidet sich der Spieler zur unverzüglichen Ausführung des Versuchs oder für die Fortführung der Vorbereitungsphase. Die Entscheidung zur Ausführung ist endgültig. Die geplante Bewegungsausführung ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr beeinflussbar – bei Störungen oder beabsichtigten Änderungen muß der Versuch ggf. abgebrochen werden.

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Ausholbewegung
Unmittelbar nach der Entscheidung zur Ausführung des Versuchs beschleunigt der Spieler den Stock zunächst nach hinten und lässt ihn bis zur gewünschten Höhe nach oben pendeln. Drehungen im Schulterbereich, mit denen die natürliche Blockade des rückwärtigen Auspendelns umgangen wird, sollten vermieden werden. Stattdessen wird der Oberkörper – maximal bis zu einer waagerechten Haltung – nach unten gebeugt. Der Körper erfährt durch diese Absenkung des Körperschwerpunktes eine zusätzliche Stabilisierung.

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Hauptphase

In der Hauptphase wird eigentliche Beschleunigungsarbeit verrichtet. Der Eisstock wird in dieser Phase in den gewünschten Bewegungszustand (Laufrichtung, Geschwindigkeit, horizontale und vertikale Rotation) und eine entsprechende Lage im Raum (Auflagewinkel) versetzt.

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Beschleunigung und Ausfallschritt

Sobald der Stock die maximale Höhe während der Ausholbewegung erreicht hat und zum Stillstand bekommen ist, wird mit der Bewegungsumkehr die Beschleunigungsphase eingeleitet. Der Stock wird dabei mit zunächst geringem, bei Bedarf gleichmäßig steigendem Kraftaufwand mit dem durchgestreckten Arm auf einer Kreisbahn nach unten bzw. vorne beschleunigt. Gleichzeitig wird das gesamte Körpergewicht auf das Standbein verlagert, der Spieler macht mit dem anderen Bein einen großen Ausfallschritt in Zielrichtung und drückt sich dabei mit dem Standbein von der Abspielstelle ab. Der Druckpunkt befindet dabei sich unter dem Fußballen.

Von der maximalen hinteren Auslenkung bis zur Stellung des Fußes des Ausfallbeines wird der Stock scheinbar hinter dem Körper hergezogen. Noch bevor der Schussarm eine senkrechte Stellung erreicht, wird das Körpergewicht auf das Ausfallbein verlagert und der Körper mit kräftigem Druck in eine Aufwärtsbewegung versetzt. Die Aufwärtsbewegung sollte bis zu dem Moment, an dem der Schussarm senkrecht nach unten zeigt, so weit fortgeschritten sein, daß sich der Stock den Sportboden nicht berührt.

Beschleunigung | Animation starten = MouseOver

Sämtliche Bewegungen sind fließend auszuführen, schlagartiger Krafteinsatz und ruckartige Bewegungen führen meist zu Ungenauigkeiten in der Bewegungsausführung und letzlich zu ungewollten Ergebnissen.

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Stockauflage
Sobald sich der Stock auf seiner Beschleunigungsbahn parallel zum Sportboden bewegt oder sich bereits in einer leichten Aufwärtsbewegung befindet, öffnet der Spieler die Finger der Griffhand und lässt den Stiel des Stockes aus der Hand gleiten. Im Regelfall ist dies erst der Fall, nachdem der Stock während der Vorwärtsbewegung das Standbein passiert hat. Der freie Arm wird während des Einpendelns des Stockes und in während des Ausfallschrittes vor dem Körper gehalten und dient der Stabilisation.

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Körperstreckung
Anschließend führt der Spieler seinen Arm so weit wie möglich in Schussrichtung nach. Damit verbunden ist ein Vorschieben der Schulter und ggf. eine leichte Drehbewegung des Oberkörpers. Der Blick bleibt während der gesamten Beschleunigungsphase, der Stockauflage und auch in der Phase der Körperstreckung auf das Ziel gerichtet. Durch dieses „Nachschieben“ wird verhindert, daß Laufrichtung und ebenmäßige (fließende, nicht ruckartige) Auflegen des Stockes auf den Sportboden nachteilig beeinflusst werden.

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Endphase

In der Endphase des Bewegungsablaufs wird der Körper abgebremst und aufgerichtet. Der Spieler reflektiert das Ergebnis seines Versuchs und begibt sich zum Zielfeld bzw. reiht sich in die Mannschaft ein.

Abbremsen des Körpers
Die Vorwärtsbewegung des Körpers wird über das Ausfallbein abgebremst. Insbesondere auf rutschfesten Sportböden (Asphalt, Betonpflaster) werden dabei Oberschenkel und Kniegelenk stark belastet. Auf Eis kann der Spieler noch eine kurze Strecke nachgleiten.

Reflexion | Feedback
Mit dem Abbremsen des Körpers einhergehend ist eine erste Ergebnisfeststellung. Durch visuelle und ggf. auch akustische Rückkoppelung wird die unmittelbare subjektive Bewertung des gesamten Beschleunigungsprozesses vorgenommen. Dabei fließen aber nur der gewünschte und der tatsächliche Bewegungszustand in die Beurteilung ein. Eine abschließende objektive Bewertung kann erst nach Abschluss sämtlicher Gleit- und Stoßvorgänge vorgenommen werden. Ein frühzeitiges Feedback ist gerade beim Erlernen und Vertiefen von Bewegungsabläufen hilfreich und erfahrene Spieler stärken mit positiven Eindrücken in dieser Phase Selbstvertrauen und Sicherheit bei nachfolgenden Versuchen.

Aufrichten des Körpers
Während des Abbremsens wird das Standbein bis über das Ausfallbein hinaus nachgezogen und der Körper zum Stand aufgerichtet. Arm- und Beinbewegungen folgen insoweit natürlichen Reflexen zur Herstellung eines stabilen Gleichgewichts und werden nicht unerheblich von der Griffigkeit des Sportbodens beeinflusst.

Eingliederung
Nachdem der Körper abgebremst und aufgerichtet wurde geht geht der Spieler zum Zielfeld oder reiht sich in die Mannschaft ein. Zustimmende oder falls notwendig aufmunternde Gesten, Blickkontakt oder Worte wirken für alle Beteiligten motivierend, solange sie authentisch sind – Kritik oder Vorhaltungen sind zu vermeiden.