Spiele der Wikinger

Spiele der Wikinger

Dass die Wikinger 1 im frühen Mittelalter bereits eine Reihe von Spielen kannten, gilt trotz fehlender Geschichtsschreibung als erwiesen. Die in den nordischen Dichtungen und Sagen des Mittelalters 2 erwähnten Spiele lassen sich aber nicht mit den zu dieser Zeit in Mitteleuropa bekannten Wurfspielen und insbesondere auch nicht mit dem Eisschiessen vergleichen. Dennoch wird insbesondere das Spiel Knattleikr, das überwiegend auf eisigem Untergrund gespielt wurde, immer wieder mit dem Eisschiessen in Verbindung gebracht. Dieses Spiel ähnelt dem Ablauf nach aber mehr dem heutigen Baseball oder dem irischen Hurling 3. Aufgrund der vagen Überlieferungen ist es nicht weiter verwunderlich, daß auch der Ursprung Sportarten wie Hockey, Rugby, Lacrosse und Cricket im Knattleikr vermutet wird.

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Bereits im ausgehenden 19. Jhdt. hat der Schotte John Kerr das Spiel Knattleikr im Hinblick auf die Enstehungsgeschichte des Curling untersucht, letztendlich kam aber auch er zu dem Schluss, dass zwischen Curling, Eisschiessen und Knattleikr keinelei direkten Verbindungen bestehen. Er hält es aber dennoch nicht für ausgeschlossen, dass sich all diese Spiele aus einem gemeinsamen Vorläufer entwickelt haben 4.

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Die nordische Mythologie

Wenn auch nicht direkt bei den Wikingern, so finden sich doch in der nordischen Mythologie Hinweise auf Wurf- und Schubspiele mit Scheiben. So sollen sich die tapfersten der gefallenen Krieger, die Einherjer 5 in Walhall 6 tagsüber im Zweikampf und in Wurfspielen mit goldenen Platten und Scheiben gemessen haben, bevor sie sich abends bei von Walküren 7 gereichtem Bier und Met vergnügten.

Auf solche Weise haben die Überirdischen in Walhalla geplattelt. Die Zeit nämlich, welche die Götter nicht der Leitung der Geschicke der Welt weihten, verbrachten sie in sorglos heiterer Ruhe oder mit lustigem Spiel, und warfen mit goldenen Platten und Scheiben nach dem Ziele 8.

Der Einfluss der nordischen Mythologie auf die Deutschen Heldensagen wie z.B. Kyffhäuser 9, in denen dem Kegeln ähnliche Wurfspiele erwähnt werden gilt allerdings als erwiesen.

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Bedeutung der Spiele bei den Wikingern

Die Spiele besaßen im Alltagsleben der nordischen Völker einen hohen Stellenwert. Die hierbei erlangten und gezeigten Leistungen gereichten zu Ruhm und Ehre und brachten zudem nicht zu unterschätzende Vorteile im Kampf. Mit den Spielen wurden neben den körperlichen auch strategische Fertigkeiten trainiert. Zu bestimmten Festen im Jahreskreis (Mitwinter, Julfest) und mitunter auch zu Ehren eines Gastes wurden Spiele abgehalten, zu denen sich große Volksmengen versammelten und die zuweilen bis zu 14 Tage andauerten.

In den ehemaligen Siedlungsgebieten der Wikinger sind heutzutage keine mit dem Eisschiessen vergleichbaren Spiele bekannt. Und gerade das Fehlen solcher Spiele lässt vor dem Hintergrund der ehemals großen Bedeutung der Spiele einen skandinavischen Ursprung des Eisschießens als unwahrscheinlich erscheinen.

Lediglich aus Nordfrankreich 10 wird im 16. Jahrhundert von einem Spiel namens Buillotte 11, das mit abgeflachten Steinscheiben und gekrümmten Griff gespielt wird, berichtet. In Schweden (insbesondere aus Gotland) sind Wurfspiele mit Wurfhölzern (→ Kubb) und Steinplatten (→ Varpa) bekannt. Ursprünglich aus Karelien stammen → Kyykkä und → Mölkky und in Rußland wird häufig noch → Gorodki geworfen.

 

  1. Als Wikinger werden Angehörige kriegerischer, zur See fahrender Personengruppen der meist germanischen Völker des Nord- und Ostseeraumes bezeichnet. Sie fielen vom 8. bis 11. Jahrhundert von Norwegen, Schweden und Dänemark aus über Europa her. Auf ihren Raubzügen drangen sie bis nach Nordamerika (Vinland), den Mittelmeerraum und sogar in den vorderen Orient vor. Die Wikingerzeit begann im Jahre 793 mit dem Überfall auf das nordenglische Kloster Lindisfarne und endet im 12. Jahrhundert mit der Vermischung der Wikinger mit den übrigen europäischen Völkern.
  2. Gisla Saga – 12. Jhdt., Eyrbyggja Saga – 12./13. Jhdt., Egils Saga – 13. Jhdt. (Handlung im 10. Jhdt.), Edda (Snorra-Edda) – 13. Jhdt., Holmverja Saga – 15. Jhdt., Grettis Saga – 15. Jhdt.
  3. Hurling ist ein Mannschaftsspiel keltischen Ursprungs und wird das erste Mal in der irischen Mythologie (Schlacht von Moytura 1400 v. Chr.) erwähnt. Auch der altirische Sagenkreis um Cúchulainn liefert die Beschreibung eines Hurlingspiels. 15 Spieler auf jeder Seite versuchen mit hölzernen Schlägern einem kleinen Lederball in ein Tor zu treiben oder zu schlagen. Aus diesem Spiel ging im 12./13. Jahrhundert das schottische Shinty (Vorläufer des Bandy, Hockey u. Eishockey) hervor.
  4. Quelle: The History of Curling – Scottland’s Aim Game – And fifty years of the Royal Caledonian Curling Club, by John Kerr, M.A., F.S.A. Scot., 1890
  5. Einherjer (auch Einherjar, Einherier), altnord. ‚der allein Kämpfende‘, ‚ehrenvoll Gefallener‘, bezeichnet in der nordischen Mythologie die gefallenen Krieger, die nach germanischem Glauben von den Walküren vom Schlachtfeld zum Heervater Odin nach Walhall geführt werden und dort in einem Kriegerparadies sorgenfrei leben.
  6. Walhall (auch Valhall, Walhalla) bezeichnet in der nordischen Mythologie das Ziel aller gefallenen Krieger, die sich als tapfer erwiesen hatten und in der Schlacht ihr Leben gelassen hatten.
  7. Walküre (auch Schlacht- oder Schildjungfer), in der nordischen Mythologie ein weibliches Geisterwesen aus dem Gefolge des Göttervaters Odin.
  8. Quelle: Abendblatt zur neuen Münchener Zeitung, Nr. 138, Freitag, 11. Juni 1858
  9. Der Kyffhäuser-Sage nach schläft Kaiser Friederich I., Barbarossa, samt seinen Gefolgsleuten in einer Höhle des Kyffhäusergebirges um eines Tages zu erwachen, das Reich zu retten und es wieder zu neuer Herrlichkeit zu führen. Der ebenfalls hier gegenwärtige König Otto soll dabei jährlich in der Johannisnacht mit seinen Rittern den Berg verlassen um Kegel zu schieben.
  10. Nach dem letzten großen Überfall auf Frankreich im Jahre 911 wurde dem Wikingerführer Rollo, Hrolf Ganger, einem direkten Vorjahren William des Eroberers, Ländereien am Unterlauf der Seine als Lehensgebiet zugesprochen. Nach der Besiedelung durch die Nordmänner wurde das Gebiet als ‚Normandie‘ bezeichnet.
  11. Bouillotte (= Wärmflasche); ein mit dem Curling vergleichbares Spiel aus Nordfrankreich. Aus der „Kulturgeschichte des Sports“, von Wolfgang Behringer, Verlag C.H. Beck