Entwicklung der Eisstöcke
Der frühen Eisstöcke
Baumscheiben als Eisstöcke
Die ersten Gerätschaften zum Eisschiessen waren einfache Scheiben aus Holz mit eingesetztem Griff oder Zapfen, so wie sie auf den Gemälden des 16. und 17. Jahrhunderts von Pieter Breughel und Cornelis Claesz. von Wieringen zu sehen sind. Diese Holzscheiben wurden einfach von Baumstämmen abgesägt oder aus Wurzelstöcken herausgeschnitten. Das von den flämischen Malern dargestellte Spiel hieß zu dieser Zeit „Kaluiten“ und das Spielgerät dementsprechend „Kaluitblok“. Und dieser „Kaluitblok“ ist im Lexikon der Flämischen Mundart (1865) wie folgt beschrieben: „Von einem Baum abgesägtes Stück, mit einem eisernen Ring versehen, in welchem in der Mitte ein Stock steckt, der dazu dient, den Klotz zu werfen.“
Stich nach Cornelis Clasz. van Wieringen (Ausschnitt) |
Von der Tatsache, daß die Stöcke früher von Baumstämmen abgesägt wurden, wird auch die heute noch gültige Bezeichnung „Stock“ für das Spielgerät abgeleitet. Im der deutschen Sprache bezeichnet man als „Stock“ auch den unteren, noch mit den Wurzeln verbundenen Teil eines gefällten Baumes (vgl. auch: Baumstock, Wurzelstock). Etymologisch wird das Wort „Stock“ vom althochdeutschen Wort „stoc“ (mhd. stoch), das für Baumstamm, Baumstrunk steht, abgeleitet. Die Ursprünge des Wortes finden sich in den altnordischen Sprachen (altnorwegisch, altisländisch), in denen „stokkr“ (plural stokkar) so viel wie Baumstamm, Pfahl oder Block bedeutete; im angelsächsischen verwendete man hierfür das Wort „stocc“ (engl. stock).
Während man zunächst nur mit flachen Scheiben spielte, wurden die Stöcke zunehmend höher und nahmen allmählich (vermutlich im 18. Jahrhundert) eine kegelartige, sich zur Mitte hin verjüngende Form an. An der Unterseite waren die Stöcke sehr glatt gedrechselt.
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von der Scheibe zum Kegel |
Einhergehend mit der Entwicklung von der einfachen, flachen Baumscheibe zum kegelförmigen, mit einem Eisenring eingefassten Rotationskörper wurde die Herstellung der Eisstöcke zunehmend von Spezialisten übernommen. Stellmacher (Wagner), Tischler und Schreiner fertigten nun größtenteils die zum Teil kunstvoll gedrechselten Stöcke und verdienten sich damit ein Zubrot.
Der Eisstock im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert beschrieb man die Eisstöcke als
- tellerähnliche Stöcke von Holz mit eisernem Reif 1,
- hölzerne Scheiben mit aufwärts stehendem Stiele 2 oder auch als
- aufwärts konisch geformte Scheiben, am untersten Rande mit einem eisernen Ringe und mit einem Handgriffe versehen sind 3.
Die regional unterschiedlich geformten Eisstöcke wurden von den Literaten der Zeit zuweilen aber auch mit einem riesigen Petschaft (u.a. Peter Rosegger 4), mit Steinmetzhämmern oder Melkstühlen verglichen.
Petschaft | Steinmetzhammer | einbeiniger Melkstuhl |
Eine erste Beschreibung eines Eisstocks mit Maß- und Gewichtsangaben findet sich einem → Brief von Thomas Purdie an Professor Ferguson vom King’s College in Aberdeen aus dem Jahre 1848. Purdie war von Schottland nach München gereist, um im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Curling in Bayern Erkundigungen über das Eisschiessen einzuholen. Die von Purdie beschriebenen, und vornehmlich in der Gegend in und um München gebräuchlichen Eisstöcke hatten
- ein Gewicht von 12 bis 25 Pfund (1 engl.Pfund = 0,45 kg, demnach ca. 5 – 11 kg),
- laufen auf einer Grundfläche von 10 bis 13 Inches (25 – 33 cm) im Durchmesser und
- sind bis zum Boden mit einem schweren eisernen Ring, der Gewicht und Stabilität verleiht, umrandet.
- Der Stiel ragt renkrecht nach oben, ist etwa 9 Inches (23 cm) lang und am oberen Ende leicht gebogen
Zur Verdeutlichung fügte Purdie seiner Beschreibung folgende Skizze bei:
Skizze Thomas Purdie, 1848 | Eisstock, ca. 1900 |
Die verschiedenen Holzarten
Bei der Stockherstellung fanden vorwiegend heimische Holzarten Verwendung. Die Auswahl des Holzes erfolgte im Hinblick auf physikalisch-technische Eigenschaften wie:
- Härte (Haltbarkeit und Schlagkraft)
- Quell- und Schwindverhalten (bei Austrocknung bzw. Nässe)
- Elastizität (insbesondere Druck- und Biegefestigkeit)
Die bevorzugten Holzarten waren daher Birne, Buche und Ahorn – seltener auch Kirsche, Zwetschge, Esche und Eiche. Für den Stiel verwendete man elastischere Hölzer wie Haselnuss, Esche oder Birke.
Insbesondere aus dem Birnbaum ließen sich hervorragende Eisstöcke fertigen. So wird bereits im Jahre 1793 die Verarbeitung des Holzes der heimischen Pfundbirn zu Eisstöcken erwähnt 5. In Österreich werden aus Birnbaumholz gefertigte Eisstöcke auch „Birnstingl“ genannt – und regional wird der Begriff „Birnstingl“ sogar als Synonym für den Eisstock im Allgemeinen verwendet.
Zum Schutz vor Feuchtigkeit und Nässe wurden die Stöcke mit Firnis oder verschiedenen Wachsen behandelt. Die Lauffläche wurde gewachst oder mit Baumöl eingerieben. Das Wachsen der Lauffläche wurde später bei Wettkämpfen aber verboten.
Der Eisenring
Seit dem 18. Jahrhundert schützte man die hölzernen Eisstockkörper mit Eisenringen. Das Aufziehen der Ringe auf die Eisstöcke wurde hauptsächlich von Hufschmieden und Wagnern, die im Aufziehen von Eisenreifen auf Wagenräder bestens geübt waren, übernommen. Die Eisenringe wurden anfänglich kalt geschmiedet auf den Stockkörper aufgezogen und mitunter durch in den Ring eingeschlagene Einkerbungen fest mit dem hölzernen Stockkörper verbunden. Später bediente man sich der Technik des Warmschmiedens. Dazu wurde aus einem Flacheisen von 3 bis 5 cm Breite ein Reifen geschmiedet, der noch in heissem Zustand auf den Stock „aufgezogen“ wurde. Beim Erkalten zog sich der Ring etwas zusammen und war danach fest mit dem Stockkörper verbunden. Der selben Technik bedienst man sich auch heute beim Einpressen des Zwischenplatte in den Stahlring.
„kalter“ Ring mit Einkerbungen | Eisenringe |
Über die Sommermonate trocknete das Holz des Eisstockes manchmal aus und verlor derart an Volumen, so dass der Ring locker wurde. Nun legte man den Eisstock samt Ring einige Stunden oder Tage in kaltes Wasser ein (= wässern). Durch das Aufquellen des Holzes entstand nun wieder eine feste Verbindung.
Berichten aus dem 19. Jhdt. 6 ist zu entnehmen, dass der Eisenring mancherorts, wenn man von der größeren Haltbarkeit der Eisstöcke absieht, für überflüssig gehalten wurde, weil er ‚das Gewicht der Eisstöcke vermehrt und sie teurer macht‘ und aus dem königlichen Gerichtsbezirk Regen von 1860 7 wird berichtet, daß im Bayerischen Wald mit „unbeschlagenen hölzernen Eisstecken“ geschossen wurde.
Form, Größe und Gewicht
Form, Größe und Gewicht eines Eisstockes waren anfänglich an keinerlei Vorgaben gebunden. Diesbezügliche Regelungen wurden erst mit dem Aufkommen des Turniersports zu Beginn des 20. Jahrhunderts getroffen. Das Aussehen der Stöcke war bis dahin ausschließlich der Funktionalität geschuldet. Am gebräuchlichsten waren jedoch Stöcke mit einem
- Durchmesser von etwa 30 cm, und einem
- Gewicht zwischen 5 und 7 kg
Eine etwas genauere Beschreibung des Eisstockes sowie Hinweise zur Herstellung desselben findet man auch in der Deutschen Jagdzeitung aus dem Jahre 1865. Dieser Beschreibung nach waren die Eisstöcke aus Apfel-, Weißbuchen- oder Nußbaumholz gedrechselt und hatten eine kreisrunde Form. Die Lauffläche des Stockes wurde hohl gedrechselt, so daß der Stock nur auf einer ringförmigen Fläche lief. Je nach Beschaffenheit des Untergrundes war die Lauffläche nauch außen hin weniger (für glattes Eis) oder mehr (für Schneebahnen) wulstig.
- Abweichung der Horizontalen von der Mitte zum Rand 2-3 Linien (4-6 mm).
- Eisenring: 7-9 Linien (14-18 mm) breit und 4-6 Zoll (10-15 cm) dick
- Gesamtdurchmesser: 14-16 Zoll (35-40 cm)
- Höhe des Stockkörpers: 6-7 Zoll (15-17,5 cm)
- Länge des Stieles: 5-6 Zoll (12,5-15 cm)
- Gesamtgewicht zwischen 4 und 10 Pfund (2 bis 5 kg)
(a) Stockkörper (b) Gesamtdurchmesser (d) Schmideisenring (f) Stiel |
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Skizze Deutsche Jagdzeitung |
Regionale Besonderheiten
Im bayerischen Hochgebirge werden im Jahre 1864 Eisstöcke als schwere eicherne Kreisel in der Art von Steinmetzhämmern mit einem krummen Griffe beschrieben, die vom härtesten Holz und mit eisernem Reif umgeben sind und oft 20 – 24 Pfund (10 – 12 kg) wiegen. Im Salzburger Land, und hier vor Allem im Pinzgau verwendete man sehr flache, tellerähnliche Stöcke mit einem Durchmesser von 20 bis zu 50 cm. Neben diesen normalen Stöcken, die Eis- oder Kehrstöcke genannt wurden, gab es noch leichtere, stark aufgebogene Stöcke, die „Gschlastöcke“. Diese kamen zur Zeit der Schneeschmelze, wenn die Eisbahn matschig war, zum Einsatz. Und bei der Pinzgauer Disziplin des Stockwerfens verwendete man Wurf- oder Bauchruapenstöcke. Und im „Tiroler Volksleben“ heißt es, dass das Gewicht der Eisstöcke mit in der Mitte durchlöcherten Eisenscheiben, die über den Stiel geschoben wurden, beliebig vergrößert werden konnte und auch aus der ‚Enzyklopädie der Spiele‘ aus dem Jahre 1853 geht hervor, dass die Eisstöcke zum Teil mit Blei gefüllt waren, um ein größeres Gewicht zu bekommen.
Unterschiede gab es aber nicht nur bei der Form der Stockkörper, sondern auch bei den Stielen. Während man in Bayern Eisstöcke einen kurzen, nach hinten gekrümmten Griff verwendete, hatten die österreichischen Eisstöcke meist einen gerade aufragenden Stiel mit einem kugel- oder birnenförmigen Knauf. Insbesondere im Pinzgau ist diese Stielform auch heute noch weit verbreitet.
bayerische Stilformen ↔ österr. Stilformen |
Beim freizeitmäßigen Eisschießen findet man auch heute noch alle möglichen und unmöglichen Formen und Größen von Eisstöcken. Für den geregelten Spielbetrieb galten aber bald mit der Zeit immer enger werdende Vorgaben für das Sportgerät Eisstock.
- Bemerkungen eines Reisenden nach Oberösterreich aus dem Jahre 1817 ↩
- Beschäftigungen für die Jugend, von Hofrat v. Schubert, Freiherrn von Wessenberg, 1837 ↩
- Das Lavantthal im Herzogthume Kärnten, von Joseph Wagner, 1849 ↩
- Das Volksleben in Steiermark, 1875 ↩
- Kurzgefasste Naturgeschichte von Candid Huber ↩
- aus: Beschäftigungen für die Jugend zu Gewöhnung an zweckmäßige Tätigkeit ↩
- Der königliche Landgerichtsbezirk Regen von 1860 ↩