Aufleben der Winterspiele
In der Zeit der Aufklärung (18. Jhdt.) wurde das Verständnis einer ganzheitlichen Entwicklung von Körper und Geist endgültig wiederentdeckt. Die aufblühende naturwissenschaftliche Medizin betonte die Bedeutung der körperlichen Ertüchtigung für die Gesundheit und trug so ebenfalls zur Verbreitung der „neuen“ Leibeserziehung bei. Diese Entwicklung kam zweifelsfrei auch den Winterspielen und insbesondere auch dem Eisschießen zugute.Gemäß den Philanthropen wurden Spiele wieder vermehrt nach Nützlichkeitsaspekten betrachtet und als Instrument für Gesundheit, Übung, Abhärtung, Erholung und auch Charakterbildung angesehen. Besonders diejenigen Aktivitäten, welche mit Bewegung an der frischen Luft einhergingen, gewannen zunehmend an Ansehen.
So schreibt der deutsche Pädagoge J. F. C. GutsMuths 1 über die Winterspiele:
„Der menschliche Körper lässt sich gegen Hitze und Kälte bis zu einem hohen Grad abhärten. Was soll man mit einem Knaben anfangen, der, wenn es heiß ist, schmelzen will und bei jedem Frost zittert und bebt? – In die Erziehung gehört weder Barometer noch Thermometer, und streng genommen schlechterdings keine Klage über das Wetter, über Kälte oder Hitze; beide erträgt man am besten, wenn man ihren Grad nicht kennt, und die Jugend fragt weder nach dieser, noch nach jener, wenn sie früh dazu gewöhnt wird. Dies lässt sich auf keine angenehmere Art bewirken als durch Spiele; das damit verknüpfte Vergnügen macht die Jugend [die] unangenehmen Eindrücke der Kälte und Rauigkeit des Klimas vergessen und mit einer Jahreszeit vertrauter, die durch ihre überaus reine, kalte, stärkende Luft für die Gesundheit von so augenscheinlich guten Folgen ist, dass derjenige wahres Bedauern verdient, welchen Geschäfte oder Vorurteil und Weichlichkeit ins Zimmer sperren.“
Er äußert sich zudem lobend über das Schlittschuhlaufen
„Es führt ein göttliches Vergnügen mit sich, daß ich den Milzsüchtigen und den Misanthropen dadurch zu kurieren gedächte. Reine Luft, durchdringende Kälte, Beschleunigung des Laufs der Körpersäfte, Anstrengung der Muskeln, Übung in so mannigfaltigen geschickten Bewegungen, reines Vergnügen usw. müssen nicht nur auf die körperliche Maschine der Muskeln, sondern auch auf seinen Geist einen sehr mächtigen Einfluss haben.“
… und empfiehlt der Jugend das Scheibenspiel und das Große Kugelspiel:
„Dieses Spiel hat viel Zweckmäßiges; es erfordert unaufhörlich ein genau messendes Auge, richtig abgewogene Kraft der Hand beim Wurf, gute Behandlung der Scheiben und zugleich auch Glück; denn oft vernichtet ein kleiner Zufall den geschicktesten Wurf und erregt Gelächter.“
Das Scheibenspiel und das Große Kugelspiel sind in ihrer Spielweise mit dem Eisschießen vergleichbar. GutsMuths vergleicht diese Spiele mit dem schottischen Curling. Das bayerische Eisschießen war ihm offensichtlich zu dieser Zeit nicht bekannt. 2
- Johann Friedrich Christoph GutsMuths geb. 9.8.1759 in Quedlinburg, geb. 21.5.1839 in Ibenhain, Deutscher Pädagoge und Mitbegründer des Turnens ↩
- Eine erste Beschreibung des „Eisschießen-Spiels“ wurde in der „Neuen Jugendzeitung“ 1811 in Leipzig publiziert. → siehe Eisschießen im 19. Jhdt. ↩