Entwicklung der Eisbahnen
Natürliche Eisflächen und Schneebahnen
Zum Eisstockschießen traf man sich ursprünglich auf zugefrorenen Seen, Weihern und Altwassern 1. Aber auch die stillgelegten Lehmabbaugruben von Ziegeleien, die sich im Laufe der Zeit mit Regenwasser gefüllt hatten und die an den Waldrändern gelegenen „Schwemmweiher“ 2, wurden gern zum Eisschießen genutzt. Ebenso boten die von den Brauereien unterhaltenen Brau-Weiher und die in den Dörfern zum Zwecke der Brandbekämpfung angelegten Löschweiher bei Minusgraden beste Voraussetzungen für das Eisschiessen. Um beim Fehlen natürlicher Eisflächen entsprechende Möglichkeiten zum Eisschiessen zu erhalten wurden im 19. Jahrhundert aber auch schon künstliche Weiher 3 angelegt und Flüsse und Bäche 4 aufgestaut. Meistens spielte man aber einfach auf dem ebenen, gefrorenen Boden oder auf Schneebahnen 5.
Spätestens seit dem 19. Jhdt. wurde auch auf vereisten und mit plattgedrücktem Schnee bedeckten Straßen 6 Eisstock geschossen. In manchen Gegenden – hier Salzburg 7 – nahm das Eisschießen auf öffentlichen Straßen sogar solche Auswüchse an, dass es verboten werden musste. Und auch heute noch ist es – beinahe selbstverständlich – gem. § 88 Abs. 3 der österr. Straßenverkehrsordnung 1960 verboten … die Ordnung des Straßenverkehrs durch (…) Eisstockschießen oder ähnliche Betätigungen zu stören oder Straßenbenützer auf diese Weise zu belästigen.
Erste Spritzeisbahnen
Aber auch schon im 18. Jhdt. wurden künstliche Eisbahnen angelegt. Im Jahre 1788 erklärt Johann Baptist Strobl in seinen Unglücksgeschichten den Kindern den Bau einer kleinen, im Gegensatz zu den Eisbahnen auf Straßen oder unzureichend gefrorenen Seen aber ungefährlichen Eisbahn:
… nehmt Schaufeln und Latten, und häufet den Schnee auf einer Seite in der Länge eines Gartenbeets so zusammen, daß er höher liegt, als der übrige; macht dann auf beiden Seiten dieses Schneebeets kleine Aufwürfe von Schnee, etwa noch eine Spanne höher, als das aufgeworfene Beet; bespritzt dieses mit Wasser, ebnet es so gut ihr könnt, und wartet bis es recht zusammenfriert: so habt ihr dann beinahe für den ganzen Winter hindurch eine Eisbahn …
Eine erste „professionelle“ Anleitung zur Anlage einer künstlichen Eisbahn findet sich in „Der praktische Eisschütze“: Anleitung zur Anlage künstlicher Eisbahnen, Erklärung des Spieles, Vortheile und Regeln beim Eisschießen sowie dabei übliche Ausdrücke. nebst lithographischen Abbildungen (36 Seiten) – herausgegeben von der Leon’schen Buchhandlung, Klagenfurt, 1864.
Solche Eisbahnen wurden meistens von Gastwirten unterhalten, die damit zusätzliche Gäste anlocken wollten. An sonnengeschützten Stellen hielt sich hier das Eis bis weit in das Frühjahr hinein. In München wird im Jahre 1831 noch Ende April von mehreren sehr guten Eisbahnen im Stahlschützen-Garten berichtet 8. Unterhalb der Biergärten befanden sich oftmals die zur Lagerung der Biervorräte notwendigen Eiskeller, diese hielten den Untergrund länger als anderswo gefroren. Zudem schützen die in erster Linie zur Beschattung dieser Keller gepflanzten Kastanienbäume auch im Winter vor direkter Sonneneinstrahlung.
Die Eisbahnen waren von unterschiedlicher Länge. In München wird Mitte des 18. Jhdts. die gewöhnliche Länge einer Eisbahn mit 45 – 50 Metern angegeben, in der Steiermark dagegen nur mit einer Länge von 16 – 22 Metern (8 – 12 Klafter). Die Länge der Eisfläche war aber nicht von entscheidender Bedeutung – im Bedarfsfalle setzte man das Spiel auch im Auslauf der Bahn, in einem angrenzenden Acker oder auf der Straße fort.
Entwicklung der Kunsteisbahnen
Im Jahre 1854 baute der Amerikaner John Gorrie in Florida die erste funktionierende Kältemaschine für medizinische Zwecke. Er sorgte damit für den Beginn einer immer weiter fortschreitenden Entwicklung der Kältetechnik und der damit eng verknüpften Kälteanlagen. Mitte des 19. Jhdts. begannen die Kältemaschinen wirtschaftliche Bedeutung in der Lebensmittelfrischhaltung zu erlangen. In dieser Zeit fand die Eiserzeugung aber auch eine interessante Anwendung in künstlichen Eisbahnen. Die erste Kunsteisbahn wurde 1876 von John Gamgee an der Kings Road in Chelsea (London) angelegt. Diese mit einer Kälteanlage von Amé Jules Pictet aus Genf ausgestatteten Eisbahn war aber nicht für den Eissport, wie er auf Natureis gespielt wurde, geeignet. Verbesserungen brachte eine kurz darauf in Rusholme (Manchester) angelegte Bahn, aber auch diese war kein vollwertiger Ersatz. Probleme mit Nebelbildung zwangen Gamgee letztendlich, beide Bahnen wieder zu schließen.
Eislaufen im Glaciarium 9, Chelsey, 1876 |
Curling in Rusholme, 24. März 1877 |
Im Jahre 1871 entwickelte schließlich Prof. Carl von Linde die Grundzüge des „Kältetechnik-Verfahrens“, das auch noch heute im sog. „Linde-Verfahren“ Anwendung findet. In der Maschinenfabrik Augsburg wurde dann Ende der 1870er Jahre damit begonnen eine Kunsteisbahn zu erstellen. Vom 20. Januar 1881 bis zum 1. November 1881 konnte dann die erste funktionierende Kunsteisbahn bei der Allgemeinen Deutschen Patent- und Musterausstellung in Frankfurt a. Main vorgestellt werden. Als erste richtig betriebene Kunsteisbahn von Prof. Carl von Linde entstand 1886 die Hallen-Eisbahn an der Bayreuther Straße in Nürnberg (abgerissen 1905).
Die erste überdachte Kunsteisbahn in Kontinentaleuropa wurde in München im Jahre 1892 von dem Stangeneisfabrikanten Felix Unsöld in der Galeriestraße (heute Unsöldstr. 10) mit einer Eisfläche von 15 x 38 m erbaut, die Überdachung erfolgte im Jahre 1893. Im Volksmund war die Anlage als „Schachterleis“ bekannt. Im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört wurde die Eisbahn 1949 als Freiluftanlage wieder aufgebaut und (zwischenzeitlich von der Stadt München betrieben) wegen der hohen Betriebs- und Reparaturkosten im Jahre 1960 endgültig stillgelegt. Von 1890 bis 1912 wurden zahlreiche Kunsteisbahnen in den Städten der europäischen Länder und Amerikas mit Laufflächen bis 2500 qm erbaut, die alle in oft sehr luxuriös eingerichteten Gebäuden untergebracht waren; sie dienten weniger dem Eislaufsport, sondern waren Vergnügungsstätten des Weltstadtpublikums, in denen Eislaufrevuen und Balletts aufgeführt wurden. In Berlin wurden der „Eispalast“, der „Sportpalast“ und der „Admirapalast“ eröffnet. Diese drei Paläste waren selbst für Berlin zu viel, und bald mussten sie sämtlich ihre Pforten wieder schließen. In der Folgezeit richtete sich das Augenmerk auf Freilufteisbahnen. Diese konnten jedoch nur in der kühleren Jahreszeit (Oktober bis April) betrieben werden, waren aber für die Betreiber weitaus rentabler. Die weltweit erste Freiluftkunsteisbahn wurde 1909 von Dipl.-Ing. Eduard Engelmann in Wien-Hernals 10 gebaut. Es folgten Eisbahnen auf dem Wiener Heumarkt und in Budapest.
Langbahnen und Kurzbahnen
Die neu geschaffenen Kunsteisbahnen waren für das Eisschiessen aber meistens zu klein. Nach den ab 1920 bzw. 1925/26 geltenden Eisstock-Regeln musste eine Wettkampfbahn einschließlich Auslauf eine Länge von 42 Metern und eine Breite von 4 Metern aufweisen. Für Wettkämpfe waren regelmäßig mindestens 10 Bahnen erforderlich, so daß einschließlich der seitlichen Abstände zwischen den Bahnen eine Eisfläche mit den Ausmaßen von 42 x 60 Metern notwendig war. Größere Meisterschaften mussten deshalb nach wie vor auf Natureisanlagen ausgetragen werden. Die erste Deutsche Meisterschaft im Eisschießen auf Kunsteis (damals Reichsmeisterschaft) fand 1937 in Hamburg auf der Freieisanlage in der Parkanlage „Planten und Blomen“ 11 (ehemaliger Zoologischer Garten) statt.
Nach dem 2. Weltkrieg, vor Allem in den 1950er und 60er Jahren wurden zunehmend Kunsteisbahnen mit Eisflächen in den Ausmaßen eines olympischen Eishockey-Spielfeldes (30 x 60 m, Bandenradius 7,0 – 8,5 m) errichtet. Bei diesen Anlagen handelte es sich zunächst überwiegend um Freieisanlagen, die in den folgenden Jahrzehnten zum Teil überdacht wurden. Ab der Mitte der 1960er Jahre wurden dann auch vermehrt Eisstock-Wettbewerbe auf Kunsteis aufzutragen. Auf der Eisfläche konnten jedoch nur 6 Spielbahnen der herkömmlichen Größe (42m-Bahnen) eingezeichnet werden.
Eisfläche 30×60 m mit Langbahnen |
Ab 1971 wurden die Abmessungen der Spielfelder auf Kunsteis an die bisherigen „Schlechtwetterbahnen“ (bei ungünstigen Witterungsverhältnisses konnten die Zielfelder auf 6 x 3 m reduziert werden) angepasst. Unter Einbeziehung der verkürzten Kurvenbahnen konnten jetzt auf einer Eisfläche mit den Ausmaßen eines olympischen Eishockeyfeldes 16 Spielbahnen eingezeichnet werden. Die Eisfläche beim Eisschiessen wurde so zur am besten genutzten Spielfläche 12 im Bereich des Sports.
Eifläche 30×60 m mit Kurzbahnen |
Im Oktober 1973 erfolgte im gesamten Bereich der IFE (heute IFI) die Umstellung auf Kurzbahnen. Auch auf Natureisanlagen wird seither nicht mehr auf 42m-Bahnen gespielt. Während auf Natureisanlagen überwiegend mit Holzlaufsohlen gespielt wurde, setzten sich auf Kunsteis mehr und mehr die Gummilaufsohlen durch. Letztendlich wurde das Spielgeschehen ganz auf Kunsteis verlegt. Die letzte Europameisterschaft im Eisschiessen auf Natureis fand im Jahre 1976 in St. Moritz statt. Seit Einführung der IER im Jahre 1980 sind auch die kürzeren Kurvenbahnen im Spielbetrieb nicht mehr zulässig. Die Höchstzahl von 14 Bahnen erlaubt aber die Durchführung von Wettkämpfen mit 29 bzw. 30 (2 x 15) Mannschaften.
Auf Natureisanlagen können laut IFI alle Arten von Eisstock-Wettbewerben ausgetragen werden. Diese Naturbahnen sind wegen der nur eingeschränkt vorhandenen Möglichkeit der Eisaufbereitung und der fehlenden Temperatursteuerung für das Mannschaftsspiel und den Zielwettbewerb aber nur bedingt geeignet. Natureisanlagen werden deshalb beinahe ausschließlich im Freizeitsport und im Weitensport genutzt.
Dabei ist aber vor allem im Weitensport zu beachten, dass sich die Gleitfähigkeit des Eises durch Sonneneinstrahlung und Witterungseinflüsse während eines Wettkampfes zum Teil deutlich verändern und es so zu irregulären Verhältnissen und teils sogar zum Wettkampfabbruch kommen kann. Im Gegensatz dazu sprechen größere Eisflächen und größere Weiten für die Abhaltung von Weitenwettbewerben auf Freiflächen.
- Durch natürliche Verlagerung des Flussbettes oder Flussbegradigung vom Fließgewässer abgeschnittener Flussarm. ↩
- Künstlich angelegte Weiher, in denen das Ablaufwasser von Feuchtwiesen gesammelt wurde um es bei Bedarf, ggf. mit Nährstoffen angereichert, wieder in die Wiesen einzuleiten. ↩
- Brief von Thomas Purdie an Prof. Thomas Ferguson, Kings College, Aberdeen, 1848. ↩
- Aus der Chronik des TSV Spiegelau 1924 geht hervor, daß um 1800 die Flüsschen Ohe und Schwarzach aufgestaut wurden, um beste Bedingungen für das Eisschiessen zu erhalten. ↩
- „Das Eisschiessen“ in Deutsche Jagdzeitung Nr. 8, 1865 ↩
- Der kgl. Landgerichtsbezirk Regen von 1860 ↩
- Übersicht der Straffälle Januar 1802, sowie Bekanntmachung der kgl. Polizei-Direktion vom 10.12.1810 ↩
- „Die Bayer. Landboetin“, Ausgabe Nr. 49 vom 23.04.1831 ↩
- Illustrated London News, 13.05.1876 ↩
- Auf dem Gelände der ehem. Eisbahn steht heute ein Einkaufszentrum. Auf dem Dach dieses Gebäudes befindet sich die „Eisbahn Engelmann“, 1170 Wien, Syringgasse 6-8. ↩
- Die Parkanlage „Planten und Blomen“ wurde 1934/35 von den Hamburger Nationalsozialisten als Prestigeobjekt errichtet und mit der „Niederdeutschen Gartenschau Hamburg“ am 06.06.1935 feierlich eröffnet. ↩
- Um ein ähnliches Nutzungsverhältnis im Fußball (Spielfeld 70 x 100 m) zu erreichen, müssten Mannschaften mit je 250 Spielern 7 Stunden lang gegeneinander spielen. ↩