Altnordisches Leben

Altnordisches Leben

II. Die inneren Zustände – Spiele und Leibesübungen

… Wenn die Kinder älter werden kommen ernstere Spiele, die Nachahmungen des Lebens der alten. Die Mädchen üben sich an den Puppen oder Tocken im voraus in Mutterpflichten, und die Knaben gründen sich ein Haus. Das war ein gewöhnliches nordisches Spiel. Olaf Thordarson war acht Jahre, da er vom Feinde seines Vaters erstochen wurde, als er ein Haus baute, „wie die Kinder zu spielen pflegen“. Ganz ähnlich muss das „Kirchen mit Schindeln“ decken (spaena kirkor) gewesen sein, das eine alte schwedische und gotländische Kinderlust war.– ↑ –

Die Knabenspiele giengen meist darauf aus, den Leib früh stark und gelenk zu machen; was also die Jungen spielten, sehen wir auch von den älteren geübt und getrieben, es waren Leibesübungen. Besonders auf Island waren die gemeinschaftlichen grossen Spiele (leikar) die Glanzpunkte des ganzen Jahres, die bescheidenen olympischen Feste des hochnordischen Germaniens. Die benachbarten Gemeinen kamen auf einem festen Platze, dem leikvöllr, zusammen und ergezten sich in einem Wettstreite, der bei dem jähzornigen rauhen Wesen des Volkes allzuoft mit Blut und Totschlag endete.– ↑ –

Ganz besonderen Reiz übte das Ball und Kugelspiel (knattleikr, soppleikr, sköfuleikr) das zumal im Herbste und Mitwinter grosse Scharen zusammenführte, die in aufgeschlagenen Buden (leikskälar) herbergten und zuweilen über vierzehn Tage bei einander blieben. Auch ausser der gewöhnlichen Zeit, namentlich zu Ehren eines Gastes, ward bei irgend einem Hofe auf gelegener Stelle das Spiel gehalten und wenn die jungen Leute im Gau davon hörten liefen sie in Menge zusammen.– ↑ –

Der Reiz erklärt sich aus der Ähnlichkeit mit einem Kampfe. Die Spielenden schieden sich in zwei Theile, in denen Mann gegen Mann je nach dem zusammenstimmenden Alter (sem aldr höfdu til) gepart waren. Die schweren Bälle wurden mit dem Ballscheite (knattre) entweder in die Luft geschlagen, oder längs dem Boden hingetrieben. In beiden Fällen kam es darauf an, der Kugel mit Kraft ein Ziel zu setzen, oder den Ball möglichst früh zu erreichen wie noch jezt bei den Ballspielen. Von der Stelle, wo es geschehen, schob oder schlug nun der Gegner, so dass es ein Kampf um Grund und Boden ward, der wirklich oft in Ringen überging.– ↑ –

Das Jeverländer Klotschieten muss verwant sein; es wird ebenfalls zur Winterszeit von ganzen Gemeinden gespielt und der werfende hat eine Metallkugel möglichst weit über den Boden zu schieben. Ebenso stehn in Dietmarschen bei dem Eisbosseln ganze Dorfschaften gegen einander und schnellen hölzerne, bleigefüllte Kugeln Mann gegen Mann.– ↑ –

Ich habe als Knabe mit meinen Genossen ein ganz gleiches Schubspiel mit sechspfündigen Kanonenkugeln gespielt, wobei mich noch heute wundert, dass wir uns nicht die Beine zerschmetterten. Denn wenn wir auch die ansausende Kugel durch aufgeworfene Steine zu hemmen suchten, so sprang sie doch gewöhnlich empor und schlug nicht ganz sanft an uns.– ↑ –

Weniger glücklich als wir schlesischen Jungen, von denen keiner auf dem Spielplatze blieb, waren die isländischen Männer, die in blinde Wut gerieten, wurde ihre Eitelkeit verlezt. An einem Julfeste fand zwischen den Botn- und den Strandmännern ein Kugelspiel statt und die lezteren kehrten nach einigen Tagen als Sieger heim; die besiegten von den Gegnern gehöhnt erzählen es ihrem Freunde Hard Grimkelsson. Dieser lässt sich Hornkugeln (hornsköfur) machen und fordert die Strandleute zu neuem Spiele. Am Abende liegen von diesen sechs tot, wärend die Botnmänner keinen verloren. Bei dem Spiele zwischen den Niörfis und den Vikingssöhnen stunden sich unter ändern Olaf und Thorir gegenüber. Thorir sezte seinen Ball so hart auf, dass er über Olaf weg sprang und ziemlich weit hinten niederfiel. Das nam Olaf für Spott und schlug den Gegner mit dem Ballscheite über den Kopf, dass sein Holz zersprang. Thorir erstach ihn dafür und die blutigste Fehde war die Folge.– ↑ –

An den Hof des Jarl Thorgny von Jütland kamen einmal zwei tüchtige Männer, Hrafn und Krak, und zeigten ihre Tüchtigkeit im Ballspiel. Den ganzen Tag behielten sie die Oberhand; viele Männer warfen sie; am Abende haben drei ihrer Gegner die Hand gebrochen, viele sind verwundet und erschlagen. Wir sehen zugleich hieraus, dass dieses Spiel nicht bloss auf Island gespielt ward, sondern allgemein skandinavisch war.– ↑ –

Uralt sind die Wurfübungen, namentlich das Werfen mit dem Steine. Durch Brünhilds Wettkampf ist diese kräftige Lustbarkeit für immer dem Gedächtnis eingeprägt; auch im Norden ward sie fleissig geübt und grosse Fertigkeit im weiten Wurf erlangt. Als Gisli Sursson zu einem Hofe auf Island kam, wo man ihn nicht kante, nam er einen großen Stein und warf ihn hinüber auf einen Holm, der vor dem Strande lag. Wenn der Bondensohn keimkomme, sprach er zu den Knechten, möge man ihm diesen Wurf zeigen; dann werde er wissen, wer dagewesen sei. So wie wir mehrfach lesen, dass zur gemeinsamen Lust mit Torfstücken und selbst mit Reisichtbündeln nach einem gemeinsamen Ziel geworfen ward, so ist das jedenfalls weit häufiger mit grossen und schweren Steinen geschehen.