Der Bojazzl
Der Spaßmacher beim Eisschießen
Zum Mahleisschiessen lud – als regionale Besonderheit wahrscheinlich nur im südlichen Landkreis Altötting und im nördlichen Chiemgau (Oberbayern) – der „Bojazzl“ (Bajazzo = Spassmacher der italienischen Wanderbühnen bzw. der commedia dell’arte) ein. Dieser war meist wie ein Clown gekleidet – das Gesicht weiß bemalt – und schwang als Zepter einen Stock mit bunten Bändern und einer aufgeblasenen Schweinsblase.
Im Vorfeld eines Mahleisschiessen ging dieser von Haus zu Haus und überbrachte den Teilnehmern, insbesondere den Herausgeforderten, eine in Versform ausgesprochene mündliche Einladung. Während des Wettbewerbs und bei der nachfolgenden Feier im Wirtshaus fungierte er quasi als Zeremonienmeister (wie ein Hochzeitslader, Prograder), er sorgte für Ordnung auf der Eisbahn und unterhielt die Zuschauer und Eisschützen mit lustigen Sprüchen. Außerhalb des Landkreises wurde dieser Spaßmacher meist als „Hanswurst“ bezeichnet. Berühmtester Vorgänger des „Bojazzl“ war Till Eulenspiegel.
Oftmals erhielt der Bojazzl als Entlohnung für seine Dienste von jedem Teilnehmer ein sogenanntes ‚Stockzehnerl‘ (zehn Pfennige) und wurde vom veranstaltenden Gastwirt – dem am allermeisten an einer großen Teilnehmerzahl gelegen war – zechfrei gehalten. Dieser Brauch hielt sich bis in die 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts. Heute treten Bojazzl nur noch vereinzelt bei volkstümlichen Eisstock-Veranstaltungen in Erscheinung.
Italienische Wanderbühnen
Der Ausdruck Commedia dell’Arte (ital. etwa: Berufsschauspielkunst) bezeichnet die italienische Stegreifkomödie, deren Typen und Masken feststanden (Arlecchino, Pantalone, Colombina, Dottore, Pagliaccio u.a.) und die einer festgelegten Dramaturgie folgte. Der Bajazzo (Pagliaccio) ist dabei ein clownartig gekleideter, tollpatschiger Knecht und Nachäffer, in Worten kühn, aber in Wahrheit ein außerordentlicher Feigling. Für seine Fehlleistungen wird er oft mit Prügeln bestraft. Die Commedia dell’Arte entwickelte sich im 16. Jahrhundert in Italien und wurde von Wandertruppen über ganz Europa verbreitet.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts zogen erste italienische Schauspielgruppen und Komödianten über die Alpen. Diese spielten vor Allem in adeligen Kreisen, die des italienischen mächtig waren. Mit der Entwicklung der italienischen Oper zur beliebtesten Theaterform an den europäischen Höfen nach 1600 sahen sich viele der italienischen Komödiantentruppen im deutschen Raum gezwungen, sich ein neues Publikum zu erschließen. So wandten sie sich dem deutschen Bürgertum zu, das allerdings kein Italienisch verstand. Die Commedia dell‘Arte-Vorstellungen der italienischen Theatergruppen entwickelten sich zu einer Art Pantomime, deren komische Handlung über Masken und übertriebene Gesten und Gebärden vermittelt wurde.