Volksbelustigung

Volksbelustigungen

Bayerische Volksbelustigungen im ausgehenden 18. Jahrhundert

Eine Beschreibung der im Herzogtum Baiern praktizierten Spiele und Vergnügungen findet sich im Geographischen statistisch-topographisen Lexikon von Baiern 1 aus dem Jahre 1796. Hier heißt es:

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Ihre ländlichen Spiele und Ergötzungen bestehen ausser den Kegel und Kartenspielen in allerley drolligten Spielen. Dergleichen sind das Hosenlaufen, wenn ihrer zween in einem Paar Hosen stehen; das Sacklaufen, wo jeder bis an die Lenden in einen Sack hineingebunden ist; das Tellerlaufen, wobey jeder einen runden hölzernen Teller auf den Kopf setzt, und auf den Teller einige rund abgeschälte Rüben legt, wovon er wahrend des Laufens keine verlieren darf. Wer nun bey allen diesen Hindernissen zuerst an das bestimmte Ziel kommt, der trägt den Preis davon. Die Bürger in den Städten und Marktflecken üben sich fleißig im Scheibenschiessen, welches oft mit großen Feyerlichkeiten verbunden ist. Die allerliebsten Volksspektakel aber sind Komödien und Pferderennen.

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Unter den erstern sind zu verstehen Gaukler, Taschenspieler, Seiltänzer, Marionetten, Komödien, Tragödien, Charfreytags- und Fronleichnamsprozessionen, Mirakelwirkereyen u.a. Die Passionsspiele aber und Prozessionen sind abgestellt. In kleinen Städten und Marktflecken thut sich öfters eine ehrsame junge Bürgerschaft zusammen, um selbst Schauspiele aufzuführen. Auch benutzen die ärmeren Studenten die Dramomanie ihrer Landsleute. Ihrer 20 bis 30 treten in eine Gesellschaft, führen während der Vakanzzeit in Städten und Marktflecken Komödien auf. Das Nationaltheater in München ist berühmt, und die Schauspieler zeichnen sich vor vielen andern in Deutschland aus. Die große Oper ist im Winter im kurf. neuen Operhaus, die ordentliche Schauspiele alle Sonntag, Dienstag und Freytag im alten Opernhaus. Ein erster Tänzer hat 1800 bis 2000 fl. jährliches Gehalt.

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Das vorzüglichste Lieblingsschauspiel des baiernschen Landmanns aber ist das Pferderennen, das er dem Theater weit vorziehet. Nie sieht man einen größern Schwarm Volks beysamme,n als bey diesem Spektakel. Auf mehrere Meilen reisen die Neugierigen herzu. Bey den gewöhnlichen Rennen, die manchmal ein Wirth blos auf Spekulazion eines großen Bierabsatzes giebt,und wobey die Liebhaber einige Gulden legen müssen, ist der Zulauf nicht gar groß, aber wenn ein reicher Kavalier, eine Stadt, oder der Fürst von Taxis, der Fürstbischof von Freysingen usw ein Freyrennen giebt und bey dem ansehnliche Preise sind, dann wird das Schauspiel glänzend. Es erscheinen 30 bis 36 Rennpferde und die Menge Volks erdrückt sich schier an der Rennbahn. Kleine kühne Pursche von 14 bis 17 Jahren, reiten die Renner ohne Sattel und Steigbügel. Das ganze Schauspiel ist in wenigen Minuten zu Ende. Die Pferde fliegen wie der Wind vom Ziel aus, machen eine Strecke von ungefähr anderthalb bis zwo Stunden in einigen Minuten, und kommen schnaubend und von Schweiß triefend wieder beym Ziel an. Man theilt die Preise aus, die in rothen Tüchern, silbernen Thee- oder Kaffee- Servicen, Sattel und Zeug, Schabracken, Hirschhäuten u.a. bestehen; das Volk klatscht den Siegenden seinen Beyfall zu, geht ins Wirthshaus, betrinkt sich aus lauter Theilnehmung an der Ehre der tapfern Renner, und spricht ein halbes Jahr lang von dem glänzenden Pferdespiel. Damit sind oft auch noch andere Spiele Wettlaufen, Stelzengehen, verbunden. Dahin gehört auch der Schäfflertanz, Schwerdtanz u.a. mehrere Arten von Kegelschieben, als das Schmarakeln, Budeln, Langausschieben, Eisschiessen, Gänsespiel, Pfandspiel, Fang den Mann u.s.w.

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Unter den Kinderspielen sind der Ball, das Kreisstehen, Raketschlagen, Einkindeln, Ballonschlagen, Ringelspiel, Steintappeln, Einrückeln, Plateln, Kapuzinerspiel, Handwerkerspiel u.a. Unter den Tänzen kommen die französischen, englischen, der deutsche Walztanz, und die sieben Sprünge hauptsächlich vor.

 

  1. Geographisches statistisch-topographises Lexikon von Baiern (vollständige alph. Beschreibung aller im baiernschen Kreis liegenden Städte … ) Erster Band, Ulm 1796 im Verlag der Stettinischen Buchhandlung – Seite 203