Der unheimliche Eisschütze (AÖ)

Der un­heim­li­che Eis­schüt­ze

Frü­her gab es an den Wald­rän­dern oft­mals Wei­her. Was­ser­läu­fe von den Fel­dern her wur­den darin ge­sam­melt. Man nann­te sie auch „Schwem­men“. Man­schmal waren auch mit­ten im Walde drin­nen sol­che Wei­her. Man hatte dort einst Lehm zum Zie­gel­bren­nen her­aus­ge­nom­men und die Gru­ben füll­ten sich spä­ter dann mit Schnee und Re­gen­was­ser. In den kal­ten Win­ter­mo­na­ten zu­ge­fro­ren, wurde sol­che „Holz­wei­her“ von den Bau­ern­bur­schen und Knech­ten gern als Eis­bahn für das be­lieb­te Eis­stock­schie­ßen be­nutzt. An den „Schlenk­ta­gen“, wann die Ar­beit nim­mer so drän­gend war, wurde da oft den gan­zen Nach­mit­tag mit Eifer Eis­stock ge­schos­sen. Um 5 Uhr abends aber war Schluß, weil man heim mußte zur Stall­ar­beit.– ↑ –

Auch im so­ge­nan­nen West­er­holz war einst so eine „Schwemm“. Lus­tig hatte man dort den gan­zen Nach­mit­tag mit dem Eis­stock­schie­ßen ver­bracht. Und weils so schön war und der Voll­mond am Him­mel stand, ent­schlos­sen sich die Bur­schen, nach der Stall­ar­beit wie­der zu kom­men um wei­ter Eis­stock zu schie­ßen. Bis Mit­ter­nacht und dar­über hin­aus ver­gnüg­te man sich auf dem Eis. Das ging nun schon die vier­te Nacht so dahin. Da plötz­lich gesch etwas Selt­sa­mes: Die Bur­schen hat­ten gar nicht be­merkt, daß sich noch einer zu ihnen ge­sellt hatte, ein son­der­ba­rer Kerl, an­ge­tan mit schwar­zer Sturm­hau­be und lan­gem Pelz­frack. Wie ein Wil­der schoß die­ser Frem­de mit sei­nem Eis­stock und immer lau­ter schrie er: „Neine, neine, guid scho!“ und die Bur­schen taten mit, immer ver­bis­se­ner, um ihn ab­zu­tun; aber es ge­lang kei­nem. Da ge­wahr­te plötz­lich einer der Eis­stock­schüt­zen, daß dem wil­den Frem­den unten aus sei­nem Frack ein bu­schi­ger Schwanz her­vor­we­del­te. Schnell stieß er den Bur­schen neben sich an und zeig­te auf die schau­ri­ge Ent­de­ckung. Einer ver­stän­dig­te nun den an­dern und eis­kalt lief es jedem über den Rü­cken. Einer nach dem an­dern nahm dar­auf sei­nen Eis­stock unter den Arm und ver­ließ ei­ligst die Eis­bahn. Und schau­rig tönte es ihnen noch von wei­ten nach: „Neine, neine, guid scho!“ – ↑ –

Nie mehr haben diese Bur­schen nach dem Ge­bet­läu­ten nachts Eis­stock ge­schos­sen. Sie waren sich si­cher: „Der Wah­ri­ge“ sel­ber hatte da mit­ge­tan, denn wer nach dem Ge­bet­läu­ten noch­mal auf die Eis­bang ging, mußte wis­sen, daß diese Zeit seit jeher frei für das Böse war.