Entwicklung des Vereinswesens

Entwicklung des Vereinswesens

Im 18. Jahrhundert waren in Schottland bereits erste Curling-Clubs 1 und Eislaufvereine 2 entstanden. Triebfeder für die Gründung die frühe Vereine war das Streben nach gemeinsamer Freizeitgestaltung in ebenbürtigen, meist elitären Kreisen. In vielen Vereinsnamen findet sich deshalb auch die Bezeichnung Club oder Society.

Bereits das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 gestand den Untertanen Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu, bei gleichzeitigem Verbot „jeder Beratung politischer Angelegenheiten in Vereinen“. Die Entstehung der ersten Sportvereine auf deutschem Gebiet ist im Gegensatz dazu eng mit der sich am Anfang des 19. Jahrhunderts verbreitenden Vereinsbildung, speziell von patriotisch ausgerichteten Turn- und Leibesübungsvereinen verbunden. Erst spätere Sportvereine hatten die reine Ausübung des Sports als Ziel.

– nach oben –

Die Turnbewegung im frühen 19. Jahrhundert

Der Beginn des 19. Jahrhunderts war in ganz Europa von der napoleonischen Herrschaft geprägt. Im napoleonisch besetzten Deutschland versammelten sich unter der geistigen Vaterschaft Friedrich Ludwig Jahns national ausgerichtete junge Männer zu Übungen in „Turnvereinen“, die nach außen einen geselligen, nach innen einen subversiv-paramilitärischen Charakter trugen. Nach Jahns Visionen sollten mit dem vaterländischen Turnen 3 künftige Freiheitskämpfer auf einen Befreiungskrieg gegen die Truppen Napoleons vorbereitet werden. Entsprechende Entwicklungen gab es vor Allem in Norddeutschland – das Königreich Bayern war als Mitglied des Rheinbundes im Gegensatz zu Preußen auf Seiten Napoleons in den Krieg eingetreten 4. Jahns Turner bewährten sich im Lützower Freikorps und beteiligten sich an der vom 16. bis 19.10.1813 dauernden Völkerschlacht bei Leipzig, die letztendlich mit der Niederlage Napoleons endete.

Als ältester Sportverein Deutschlands bezeichnet sich der TSV Friedland 5 von 1814.

– nach oben –

Das Schützenwesen

Auch die Sportschützenvereine in ihrer heutigen Form entstanden im Gefolge der napoleonischen Kriege, haben ihre Ursprünge jedoch in mittelalterlichen Städten. Die Mitglieder bestanden zunächst vielfach aus Kriegsveteranen, nicht zuletzt der bisherigen freiwilligen Heeresverbände wie z.B. des Lützowschen Freikorps. Neben gesellschaftlichen und sozialen Aspekten kamen den Vereinen lange Zeit auch politische Funktionen zu. In der Restaurationszeit 6 wurden insbesondere die Schützen-Vereine zu wesentlichen Trägern nationaldemokratischer Opposition gegenüber der partikularstaatlichen Fürstenherrschaft und blieben dies bis weit in die Gründerzeit 7 hinein.

– nach oben –

Vereins- und Versammlungsverbote

Das Recht der Staatsbürger, sich zu gemeinsamen Zwecken zu vereinigen und gemeinsame Ziele gemeinsam anzustreben sowie auch das Recht der freien Versammlung bezeichnet man allgemein als Vereinswesen. Nach der Befreiung aus der Herrschaft Napoleon wurden im Hinblick auf die von den paramilitärisch strukturierten Turnvereinen ausgehende Macht und die vorherrschende Revolutionsangst das Versammlungs- und Vereinigungsrecht – insbesondere durch die Karlsbader Beschlüsse – in den einzelnen Statten bzw. weiten Teilen des Deutschen Bundes 8 stark einschränkt. Das Versammlungsverbot wurde nach dem Hambacher Fest 9 im Jahre 1832 sogar auf Volksfeste und Dulten ausgedehnt. Erste Sportvereine heutiger Prägung entstanden 1836 mit dem Hamburger Ruder-Club, sowie mit den Turnvereinen in Ulm (1846), Chemnitz (1847), München 10 und Bochum (je 1848), um nur einige zu nennen.

Die nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1848 mit Reichsgesetz vom 27. Dezember 1848 für anwendbar erklärten Grundrechte garantierten dann zwar das freie Vereins- und Versammlungsrecht, diese Rechte kamen aber erst durch den Erlass besonderer Gesetze – in Bayern durch “ Gesetz vom 26. Februar 1850 die Versammlungen und Vereine betreffend“, in Österreich durch Vereinsgesetz vom 15. November 1867 – zur praktischen Anwendung. Mit diesen politischen Veränderungen erlebte letztendlich das → Vereinswesen in Deutschland und Österreich einen enormen Aufschwung.

  1. Der weltweit erste Curling Club war der Kinross Curling Club, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1668 zu-rückverfolgt werden können. 1716 folgten in Kilsyth und Kirkintilloch die ältesten Vereine, die dem Grand Caledonian Curling Club angehörten.
  2. Als erster (überlieferter) Eislaufverein der Welt wurde im Jahre 1742 in Schottland der „Edinburgh Skating Club“ gegründet.
  3. Friedrich Ludwig Jahn hatte 1811 den ersten öffentlichen Turnplatz auf der Hasenheide in Berlin geschaffen und hier das „Vaterländische Turnen“ begründet.
  4. Das Kurfürstentum Bayern wurde zum Dank für seine Loyalität gegenüber Frankreich im Jahre 1806 von Napoleon zum Königreich erhoben. Erst mit dem Vertrag von Ried vom 8.10.2013, wenige Tage vor der Leipziger Völkerschlacht, verbündete sich Bayern mit Österreich und zog gegen Napoleon.
  5. Der TSV Friedland wurde am 28.06.1990 als Nachfolgeverein der BSG Traktor Friedland (vormals BSG Empor) gegründet. Der Verein beruft sich auf die Anfänge der Turnbewegung in Friedberg im Jahre 1814 mit der Erbauung und Leitung eines Turnplatzes. Die vorausgehenden Betriebssportgemeinschaften Empor und Traktor entstanden im Zuge der Neuorganisation des Sports in der DDR. Die Friedländer Sportvereine waren in der Zeit des Nationalsozialismus aufgelöst worden.
  6. Die Phase zwischen dem Wiener Kongress 1815 und den im März 1948 beginnenden Revolutionen in den Staaten des Deutschen Bundes. Diese Zeit wird auch als „politischer Vormärz“ bezeichnet.
  7. Als Gründerzeit werden die ersten Jahre nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871 bezeichnet.
  8. Der Deutsche Bund war ein Staatenbund überwiegend deutschsprachiger Staaten (u.a. den Königreichen Bayern, Württemberg, Sachsen und Preußen sowie dem Kaisertum Österreich). Der Deutsche Bund wurde am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress ins Leben gerufen und im Jahre 1866 in Folge des Deutschen Krieges im Prager Frieden aufgelöst.
  9. Das Hambacher Fest fand vom 27.05. – 1.6.1832 auf Schloss Hambach in der damals zu Bayern gehörenden Rheinpfalz statt. Der Einladung zu diesem Fest waren 20 – 30.000 Menschen aus verschiedenen Regionen Deutschlands und unterschiedlicher Stände gefolgt. Das Fest war eine als Volksfest getarnte, politische (verbotene) Veranstaltung, auf der Festredner die nationale Einheit, Freiheit und Volkssouveränität forderten. Das Hambacher Fest gilt als Höhepunkt bürgerlicher Opposition in der Zeit vor der deutschen Revolution 1948/49.
  10. Am 15. Juli 1848 wurde der Turnverein München gegründet; der Verein wurde aufgrund der damaligen politischen Verhältnisse aber verboten. Die offizielle Gründung erfolgte deshalb erst am 17. Mai 1860. Der Verein wurde 1898 in Münchner Turnverein von 1860 und später in TSV 1860 München umbenannt. Fußball wird in dem Verein aber erst seit dem Jahre 1899 gespielt.