Eisspiele
Wo immer in Oberbayern oder in den österreichischen Alpenländern ein paar Häuser einen Weiler oder ein Dorf ausmachen und die Manderleut übrige Zeit haben, wird eine Eisschießbahn unterhalten und fast tagtäglich z’sammg’schoss’n. Sonntags beginnt das Spiel gleich nach dem Gottesdienst und dauert bis ‚in die Dämmerung hinein. Mit dem Aufblühen des Wintersports ist auch das Eisschießen eine beliebte Unterhaltung der Städter geworden. Man sehe sich nur das Treiben auf der Theresienwiese in München an, wenn dort Dutzende von Eisschießbahnen eng nebeneinander liegen und das krachende Aufeinanderschlagen der Eisstöcke und frohe Scherzrufe zur Bavaria hinaufschallen. Denn das Eisschießen ist eine jener Arbeiten, die munter fortfließen, wenn frohe Reden sie begleiten.
In einer kleinen Ortschaft des Salzkammerguts war es, daß ich am Abendstammtisch der Honoratioren mit den Geheimnissen des Spieles bekannt zu werden wünschte. Die Vorstellung besorgten der Posthalter, der Herr Lehrer, der Frühmesser und der Apotheker. Bierfilzl markierten die Eisstöcke, und der Zündholzstein war die Taube. Trotz gespanntester Aufmerksamkeit jedoch konnte ich aus dem Unterricht nicht klug werden, die mundartlichen Fachausdrücke blieben mir unverständlich. Die Offenbarung ward mir erst andern Tags, als sich auf der Pfarrhausbahn eine lustige Gesellschaft, die sich dort jeden Tag nach Tisch traf, zusammengefunden hatte, um den Fremden das Eisschießen zu lehren. Und was ich da gelernt, ist das: Die Bahn soll bis zu 3 Meter breit und 30 bis 40 Meter lang sein. Gewöhnlich wird sie als Spritzeisbahn in schattigen, wenig begangenen Gäßchen oder auf ebenen Gartenwegen angelegt, wenn nicht die Eisfläche des Dorfbaches.
Zumeist wird um irgendeinen kleinen Betrag gespielt, zum Beispiel „um a Zwanzgerl“, das jeder der verlierenden Partei an die Sieger zu zahlen hat.
Verpatzte Schüsse, „Granaten“ und „Vollpulver“, sichere Treffer und „verhungerte Stöcke“ geben Anlaß genug zu humorvoller Widerrede; jeder Schuß wird gar oft mit lauten Rufen begleitet, und so kommt es, daß man die Eisschützen „meilenweit“ hört. Wie im Sommer das Preiskegeln üblich ist, so im Winter das Preiseisschießen, etwa um eine fette Martinsgans. Die berühmteste dieser Veranstaltungen ist das historische „Prä-Eisschießen“ von Zell am See, das oft bis zu hundert Eisstöcke auf die Bahn bringt.
Das Curling hat mit dem Eisschießen nicht nur gewisse Spielregeln, sondern auch die lustige, humorvolle Unterhaltung gemein. Gleich sind bei beiden Spielen jene komischen Gesten und Körperbewegungen der Spieler, die eine Telefunkenverbindung mit dem gleitenden Stock oder Stein vermuten lassen, wenn dieser die gewünschte Richtung nicht einschlägt – gleich sind auch Ton und Inhalt der kosenden und verwünschenden Ausdrücke, die den Weg des Stockes begleiten.
Wie beim Eisschießen gilt es, schwere Geschosse einem Ziel, und zwar hier einem festen, möglichst nahe zu placieren, und den Gegner aus günstiger Position zu verdrängen.
Die Curlingbahn ist 54 Meter lang und 10 Meter breit. 7 Meter vor jedem Bahnende ist in Bahnmitte ein Pfahl oder ein Kegel festgefroren, der Abstand zwischen beiden Kegeln beträgt also 40 Meter. Um die Kegel sind Kreise bis zu 4 Meter Durchmesser gezogen, damit man an ihnen die Lage der Steine zu den Kegeln und unter sich besser erkennen kann. 2 Meter seitwärts hinter den Kegeln sind Fußrasten in das Eis eingelassen, von denen aus die Steine nach dem gegenüberliegenden Kegel abgegeben werden.
Die Ausrüstung des Spielers besteht aus einem oder zwei Curlingsteinen, einem – Besen und Gummischuhen, sogenannten snowbortes, die sicheren Stand auf dem sehr glatten Eis gewähren müssen. Der Curlingstein ist aus Granit oder Marmor und, namentlich auf der Gleitfläche, ganz glatt poliert. eine Form gleicht der einer Wärmeflasche sehr, weshalb man einen Curlingspieler sehr oft als Wärmflaschenjongleur geneckt hört. Durch einen rechtwinklig gebogenen Griff bekommt der Stein überdies noch Ähnlichkeit mit einem Bügeleisen, und auch das gibt Anlaß zu boshaften Scherzen. Wie beim Eisschießen wird in zwei Parteien mit gewöhnlich je vier Leuten gespielt. Entweder auf Zeit oder auf Punktzahl, das heißt, wer innerhalb einer gewissen Zeit die meisten Punkte oder wer zuerst eine gewisse Punktzahl erreicht hat, ist Sieger. Nach zwei Würfen der einen Partei folgen zwei der andern. Ganz eigentümlich und sehr originell ist die Verwendung des Besens. Da der glattpolierte Curlingstein nämlich ein äußerst diffizil zu führendes Geschoß ist und wie eine Billardkugel nach Bedarf auch mit Effet abgegeben wird, muß die Bahn spiegelglatt sein, um den Weg des Steins nicht zu beeinträchtigen. Deshalb wird sie von den Spielern selbst gefegt. Und wie gefegt ! Niemand entwickelt größeren Eifer im „Kehren“ als der Curlingspieler. Doch nicht allein zur Reinhaltung der Bahn bedient er sich des Besens, sondern auch nach bestimmten Regeln zur Beeinflussung des gleitenden Steines. Die spielende Partei darf vor dem gleitenden Stein fegen, wenn er die Mittellinie passiert hat, und der Gegner, wenn er im Ziel ist. Durch Fegen oder Nichtigen kann also die Geschwindigkeit des Steines und seine Wirkung etwas beeinflußt werden.
Mit lautem Zuruf gibt der Spielleiter jeder Partei vom Zielpflock aus seinen Leuten Winke für den Schuß. Weitere Spielregeln sind: Abgesehen vom Fegen darf die Bahn nicht betreten werden. Wird der Stein von Spielern der besitzenden Partei aufgehalten, so wird er aus dem Spiele entfernt; wird er durch die Gegenpartei behindert, so hat die spielende Partei das Recht, den Stein an einen beliebigen Platz zu legen. Wird die bestimmte Reihenfolge der Würfe nicht eingehalten, so muß der Stein aufgehalten werden, liegt er bereits ruhig am Ziel, so kann die Gegenpartei den Wurf wiederholen lassen oder sich einen Punkt gutschreiben. Während des Spiels darf kein Stein ausgewechselt werden, es sei denn, daß er zerbrochen wäre. Das größere Bruchstück eines solchen Steines zählt bei der Wertung eventuell mit. Liegen alle Steine um den Zielkegel, so schreibt sich diejenige Partei die vereinbarte Punktzahl zu, die einen ihrer Steine dem Kegel zunächst liegen hat. Und die verlierende Partei beginnt das Spiel nach der andern Bahnseite. Wir sehen, das Curling ist ein Eisschießen mit besonderem Raffinement. Sein Verhältnis zu letzterem ist etwa wie das der steirischen Rodeltechnik zur traditionellen Rodelfahrt des Gebirglers. Curlingklubs existieren in den meisten der schweizerischen Wintersportplätze.