Das Eisschießen
Ein Volksspiel aus Oberösterreich
Auf einer freien glatten Eisbahn von 8 – 10 Klafter Länge und 1 – 2 Klafter Breite finden sich die Eisschützen, gewöhnlich 6 an der Zahl, jeder mit seinem Eisstocke *) ein und bringen zwei vierkantige Holzstücke, die „Tauben“ mit nach denen mit den Eisstöcken geschossen wird.
Unter dem Schießen versteht man ein kräftiges Werfen des Eisstocks aus der Hand, so dass dieser mit seiner großen glatten Grundfläche in der Ebene der Eisbahn schnell und ohne Schwanken dahingleitet. Eine der beiden Tauben wird in der Halbierungslinie der Bahnbreite an dem Anfangspunkte, die andere an dem Endpunkte der Eisbahn aufgestellt.– ↑ –
Die Spieler theilen sich in zwei Parteien. Es schießt nämlich jeder seinen Eisstock nach der Taube. Wessen Stock ihr am nächsten kommt, der wird der Führer der ersten Partei und heißt der Engmeier, jener dessen Eisstock der zweitnächste bei der Taube ist, wird Führer der zweiten Partei und heißt der Weitmaier. Die andern 4 Spieler sind die Helfer oder Knechte des Eng und Weitmaiers, so dass der dritt und viertnächste bei der Taube zu den Engen der fünft und sechstnächste zu den Weiten gehört und in dieser Reihenfolge zu schießen hat.– ↑ –
Nun beginnt das eigentliche Spiel. Den ersten Schuss hat der Weitmaier. Auf ihn folgt der Engmaier, auf diesen der erste Helfer des Weiten, dann der erste Helfer des Engen und so abwechselnd jeder von beiden Seiten. Die Maier haben noch einen zweiten Schuss und dürfen ihn nach ihrem Belieben auch außer der Reihenfolge anbringen, nur muß die Partei des Maiers, wenn er das zweitemal schießen will, gerade am Schusse sein. Dieses Recht benützt der Maier in der Regel, wenn seine Helfer schon geschossen haben, weil dann von ihrem Schusse die Entscheidung des Spieles abhängt.– ↑ –
Da jedem Spieler nur ein Eisstock zur Verfügung steht, so wird für den zweiten Schuss des Maiers an dem Platz, wo er zum erstenmal hintraf, eine Marke, ein Stück Holz oder Stein, hingelegt. Sobald der Schütze geschossen hat, geht er zu der als Ziel dienenden Taube. Nach dem letzten Schusse sind somit alle Schützen beim Ziele versammelt und bestimmen den Erfolg des Spieles, wornach sofort nach der zweiten Taube hingeschossen wird.– ↑ –
Der günstigste Erfolg des Spieles besteht darin, dass nach dem letzten Schusse die drei Eisstöcke der einen Partei der Taube näher stehen als die drei Stöcke der Gegenpartei. Ist dieß der Fall, so hat die Partei ein Ende die der Taube zunächstehenden sind die Gewinner, zählen sich 12 Marken und erhalten dafür den bedungenen Einsatz. Dabei erhält der gewinnende Maier von dem Verlierenden das Doppelte, der gewinnende Knecht von dem Verlierenden das einfache des bedungenen Betrages, gewöhnlich 10 Kreuzer manchmal auch 50 Kreuzer bis 1 Gulden die Person. Der berührte günstigste Erfolg tritt aber selten, beim ersten Spiele fast nie, ein. Die Partei ist schon zufrieden, wenn sie nur zwei Zähler, hat dh wenn nur zwei ihrer Eisstöcke der Taube näher stehen als die der Gegenpartei und es sind gewöhnlich zwei bis drei Partien nöthig bis eine Partei 12 Marken erreicht.– ↑ –
Steht nur ein Eisstock der Taube näher als die übrigen, so hat die Partei, zu der er gehört, nur einen Zähler, d.i. sechs Marken und man schreitet zum zweiten Schießen. Erhält beispielsweise bei diesem die Partei, welche vorher 6 zählte, wieder 6 oder 9 oder gar 12 Marken so hat sie gewonnen, hat sie aber im ganzen nur 6 oder 9 Marken für sich, so muß zur Entscheidung noch ein drittes Spiel folgen.– ↑ –
Die Absicht der Spieler, ihre Eisstöcke in die Nähe der Taube zu bringen, gibt manchen Vortheil an die Hand, Man schießt z. B. einen der Taube nahen Eisstock der Gegenpartei weg und bringt den eigenen an die Stelle, oder man schießt unmittelbar auf die Taube und schleudert sie von den nächsten Eisstöcken der Gegenpartei weg. Nach jedem Schusse steht das Spiel anders. Es bietet nicht nur Abwechslung, sondern dient wie fast kein anderes Spiel zur leiblichen Kräftigung, indem die erfrischende Winterluft die starke Muskelbewegung und der gesellige Scherz dabei mitwirken.