Über das Best-Eisschießen in Mürzzuschlag am 16., 17., 18. und 19. Februar 1862 zur Unterstützung der bei der letzten Überschwemmung verunglückten Bevölkerung Wiens geht uns folgender Bericht aus Mürzzuschlag zu:
In Obersteier gehört das Eisschießen zu den Winterunterhaltungen, und mehr oder weniger nehmen alle Bewohner an diesen Vergnügungen Teil. Es bilden sich Gesellschaften, welche gleich den Jagdpartien in wiewohl minder beschwerlicher, aber nichtsdestoweniger gemütlicher Weise ihre Erholungsstunden dieser Beschäftigung mit großer Passion widmen, und jeder ,der in der oberen Steiermark einen Winter zugebracht hat, wird zugeben, daß die Eisschützen gleich den Jägern und Scheibenschützen sich auch im gemütlichen Wirtshausgeplauder oft stundenlang von ihren Abenteuern unterhalten können, wenn selbe auch minder anziehend für die Zuhörer sein mögen, als die mit Jägerlatein gewürzten Jagdabenteuer.
Gelegentlich kommt man aber auf verschiedene Dinge zu sprechen, und so besprach eine Gesellschaft der hiesigen Eisschützen das entsetzliche Unglück, welches so viele der Bewohner Wiens durch die Überschwemmung betroffen, und beschloss, auch ihr Scherflein zur Unterstützung dieser Armen beizutragen.
Es bildete sich sofort ein Eisschützen-Comité, welches sich zur Aufgabe stellte, Beste zu sammeln, die auf der Eisbahn ausgeschossen werden sollten.
Dieser Beschluß, Abends gefaßt, hatte das günstigste Resultat zur Folge, indem sich die Frauen in Spenden zu diesem menschenfreundlichen Zwecke förmlich überboten und in dem Zeitraume von kaum 24 Stunden an 26 recht nette Beste aufgestellt waren.
Sonntags Nachmittags begann das Bestschießen auf den drei nebeneinander befindlichen, prächtigen Eisbahnen nächst Mürzzuschlag, und dauerte bis Mittwoch Abends. Es beteiligten sich hierbei nicht weniger als 80 verschiedene Eisschützen in Gruppen von 8, 10, 12 bis 16 Personen und da die Einlage nur eine mäßige war, so war auch das Vergnügen ein Allgemeines.
Besonders lebhaft war der Dienstag Nachmittag, die Eisbahnen wimmelten von Eisschützen der ganzen Gegend, und schossen an diesem Tage 60 verschiedene Schützen. Auch an Zuschauern fehlte es nicht, und war auf einem Schlitten eine Restauration für die Eisschützen improvisirt.
Bis in die späte Abendstunde wurde an diesem Tage geschossen, und Jedermann versichert ein solch großartiges Eisschießen noch niemals gesehen zu haben.
Jeder Schütze, welcher ein Bestes gewinnen wollte, mußte zweimal den Kampfplatz behauptet haben, auch durfte keiner mehr als zwei Beste gewinnen. Es wurde mit einer Erbitterung ohne gleichen gekämpft. Die ausgezeichnetsten Eisschützen maßen sich da; doch die launische Fortuna bedachte nicht, wie man vermutete, die guten Schützen, sondern vielmehr größtenteils die Minderen.
Leider konnten wegen der eingetretenen warmen Witterung nicht alle 26 Beste gewonnen werden, sondern nur 18 derselben. Diejenigen Schützen, welche nur einmal Sieger blieben, hatten daher leider nicht mehr Gelegenheit, den Kampf aufs Neue aufzunehmen, und um sie doch wenigstens einigermaßen zu entschädigen, sollen die übrig gebliebenen 8 Beste am 26. Februar beim Schützenballe ausgespielt werden, wobei obige Herren sich unentgeltlich beteiligen können.
Zwei Beste gewannen nur drei, ein Bestes gewannen zwölf Herren Eisschützen.
Die Einlage eines jeden Schützen betrug für eine Partie 30 kr öst. W. und ging bei diesem Schießen die verhältnismäßig bedeutende Summe von 139 fl 10 kr öst. W. ein, wovon nur die Unkosten für die Eisbahn-Conservirung und die Best-Sträuße in Abzug kommen, der Rest aber seinem menschenfreundlichen Zwecke zugeführt wird.
Zum Schlusse kann nicht unerwähnt bleiben, daß die Herren Mitglieder des Comité’s wirklich Alles aufboten, was zur Erhöhung des Vergnügens und zur Förderung des beabsichtigten Zweckes im Bereiche der Möglichkeit lag.
Gruß allen allen fröhlichen Eisschützen Steiermarks!
E.M.