Über das Eisschießen
Ei, wären nur recht viele Sonntage dazu!
Was uns Männer und Burschen sind, in der Stube bleiben wir nicht. Die Spielkarten heben wir uns auf, bis Thauwetter eintritt. So lange der Bach und der Teich noch gefroren, läßt sich männiglich betreiben. Schlittschuhlaufen? Der Unterländer übt es; der Oberländer mag es nicht, ist ein kindisch Spiel. Er hält auf seinen Eisflächen Taubenjagd. Aber er braucht kein Pulver und Blei, sein Schuß wird angeschlagen in der Brust und geht aus freier Hand und seine Taube bleibt am Platze, wenn sie nicht getroffen wird, und wird sie getroffen, so eilt sie davon.
Das Ding, ein recht oberländisch Spiel, heißt Eisschießen und ist so, wie ich es nun erzählen will.
Das erste Erfordernis zum Eisschießen ist zunächst die Eisbahn von 8 – 12 Klaftern Länge und für den Schützen der Eisstock und sind für die gesamte Gesellschaft die sogenannten Thauben.
Der Eisstock ist aus hartem Holze gedreht, mit Eisenringen beschlagen und gleicht einem riesigen Petschaft. Die glatte Grundfläche desselben misst im Durchschnitte einen Fuß, und da der Rand, wenn man das Absplittern verhüten will, mit einem Eisenreif beschlagen ist, so wiegt der Eisstock 10 – 12, ja bei starken Eisschützen zuweilen 20 Pfund.
Die Tauben, wohl so genannt, weil sie ein Paar sind und ein Schußziel bilden, sind zwei viereckige Holzpflöckchen oder Holzkegel, von einem halben bis zwei Schuh hoch. Die eine Taube bezeichnet den Anfang der Bahn, den Standplatz, die andere ist das Ziel, nach dem geschossen werden muß. Die Spieler müssen nun in zwei Mannschaften oder Helferschaften getheilt werden und beginnen zu diesem Zwecke das Zusammenschießen.
Der Eisstock wird an der Habe mit der Rechten gefasst, und es kommt nun auf den Schuß, auf den geschickten und kraftvollen Wurf oder Vorschub an, daß der Eisstock auf die Bahnfläche hinausgleite ohne Wanken und Springen und der Taube zunächst anlange. Derjenige, der das Ziel am nächsten erreicht, ist der „Engmoar“, oder das Haupt des ersten Theiles, der zweitnächste ist der „Weitmoar“, oder das Haupt des zweiten. Die Anderen werden nach der Reihenfolge der Stöcke in die „Engen“ und „Weiten“ getheilt, heißen Helfer, auch Knechte und haben nach bestimmter Folge zu schießen.
Den ersten Schuß im eigentlichen Spiel hat um Gleichheit und Gerechtigkeit zu erzielen, der Weitmoar, diesem folgt der Engmoar und nach dem kommt der erste Helfer des Weiten, und sofort abwechselnd Einer der beiden Theile. Die Stöcke bleiben unberührbar am Orte stehen, wo sie angelangt sind und es hängt von der Geschicklichkeit ab, den Stock seines Gegners wegzuschiessen und sich danach einen besseren Platz nahe der Taube zu erringen oder gar die Taube zu treffen und vorwärts zu schleudern, wodurch die anderen natürlich noch entfernter vom Ziele sind.
So ist dieses Spiel und so geht es an den Sonntagen fort auf der Eisfläche bis in den späten Abend hinein. Und folgt diesem eine mondhelle Nacht, so wird auf das Aufhören vergessen; ja es geschieht zuweilen, dass die Eisschützen von der Morgenröthe überrascht werden. Da ist’s dem Grosslechner einmal passiert, dass er, nach dem ganznächtigen Spiel plötzlich die Morgenröthe erblickend, ausrief: Du liebe Zeit die Sonn‘ schon unter ?
- Peter Rosegger, steirischer Heimatschriftsteller; geb. 31.07.1843 in Alpl (Steiermark), gest. 26.06.1918 in Krieglach ↩