Deutscher Reichsbund für Leibesübungen
Vorgeschichte
In der Zeit der Weimarer Republik war der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen 1 (DRA, DRAfL) unter der Führung von Theodor Lewald und Carl Diem der Dachverband des Deutschen Sports. Er umfasste aber längst nicht alle Verbände und Sportarten. Insbesondere die Vereine und die Verbände des Arbeitersports blieben ihm fern und gründeten mit dem Arbeiter Turn- und Sportbund (ATSB) einen eigenen Dachverband.
Gründung und Organisation
Auf Druck der Nationalsozialisten trat am 12.04.1933 der Halbjude Theodor Lewald vom Vorsitz des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen zurück. Von der Wahl eines neuen Ersten Vorsitzenden wurde nach Aufforderung durch Reichsinnenminister Wilhelm Frick abgesehen. Daraufhin löste der ab 28.04.1933 als Reichskommissar für Turnen und Sport eingesetzte Hans von Tschammer und Osten am 05.05.1933 den Reichsausschuss für Leibesübungen auf. Am 19.07.1933 wurde Hans von Tschammer und Osten zum Reichssportführer ernannt und ihm das gesamte Deutsche Sportwesen unterstellt, als Dachorganisation fungierte der Reichsführerring für Leibesübungen. Am 09.03.1934 wurde schließlich der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen gegründet, der ab 27.07.1934 den Reichsführerring ersetze. An der Spitze des DRL stand der Reichssportführer.
Am 27.07.1934 fand während der Deutschen Kampfspiele in Nürnberg unter der Leitung des Reichssportführers von Tschammer und Osten der erste DRL-Kongress statt. Hier wurden auch die Pläne für die organisatorische Neugestaltung bekannt gegeben. Dem DRL gehörten alle Turn- und Sportverein unmittelbar an, für einzelne Sportarten wurden Fachsäulen (auch Fachschaften, später Fachämter) eingerichtet. Nach und nach, insbesondere kurz nach den Olympischen Spielen von 1936, verloren fast alle Sportfachverbände ihre Eigenständigkeit und wurden zwangsweise als Fachämter oder angeschlossene Verbände in den DRL überführt.
Reichssportführer
An der Spitze des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen stand der Reichssportführer. Dieser war ab 1934 auch Präsident des Deutschen Olympischen Ausschusses.
- Hans von Tschammer und Osten (19.07.1933 – 25.03.1943)
- Arno Breitmeyer (zunächst Stellvertreter, vom 25.03.1943 – 18.09.1944 kommissarischer Reichssportführer)
- Karl Ritter von Halt (18.09.1944 – 31.05.1945)
Hans von Tschammer und Osten | Arno Breitmeyer | Karl Ritter von Halt |
Fachliche Gliederung
Für die Sportarten der Gruppe A wurden ab November 1934 15 Fachämter eingerichtet. Diese Fachämter wurden ursprünglich als Fachsäulen oder auch Fachschaften bezeichnet. Die Fachämter wurden jeweils von einem Führer des Fachamtes geleitet; für die einzelnen Sportarten waren Reichsbeauftragte bestellt.
Nummer | Bezeichnung des Fachamtes
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Geräteturnen, Gymnastik und Sommerspiele 21
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Fußball, Rugby, Kricket2
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Leichtathletik3
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Handball4
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Schwimmen5
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Schwerathletik6
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Boxen7
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Fechten8
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Hockey9
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Tennis10
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Rudern11
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Kanusport12
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13
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Schilauf14
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Radfahren15
Die neun Verbände der so genannten Sportartengruppe B blieben als Verbände weiterhin bestehen, wurden aber dem Deutschen Reichsbund angegliedert.
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Deutscher Segler-Verband16
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Deutscher Bergsteiger-Verband17
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Deutscher Wanderverband18
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Deutscher Kegler-Bund19
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Deutscher Schützen-Verband20
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Deutscher Golf-Verband21
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Deutscher Bob- und Schlittensport-Verband22
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Deutscher Tischtennis-Bund23
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Deutscher Amateur-Billard-Verband24
Dem Fachamt Eis- und Rollsport waren sämtliche Eis- und Rollschuhsportarten eingegliedert. Führer des Fachamtes waren Hermann Kleeberg (Berlin, 27.07.1934 – 15.06.1938) und Max Hoenicke (ab 15.06.1938). Zum Reichsbeauftragten für Eisschießen wurde → Josef Dötsch aus Zwiesel, bislang Vorsitzender der Eisschieß-Kommission im Deutschen Eislauf-Verband, bestellt.
Hermann Kleeberg | Sepp Dötsch |
Im November 1934 wurde der → Bayerische Eissport-Verband in den DRL eingegliedert. Der → Deutsche Eislauf-Verband wurde zwar am 27.07.1934 in den Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) überführt, bestand wegen der Außenwirkung (Olympischen Spiele 1936) formell aber noch bis 21.12.1938 weiter.
Reichsmeister | Reichssieger
Nur Fachämter und ihre Unterabteilungen durften Meisterschaften und andere Wettbewerbe veranstalten. Deutschen Meisterschaften wurden ab 1939 zu „Reichsmeisterschaften“ bzw. „Reichssiegerwettbewerben“.
Örtliche Gliederung
Die gebietliche Gliederung entsprach der politischen Einteilung der NSDAP. Wo die Erfordernisse des praktischen Sportbetriebs es sinnvoll erscheinen ließen, wurden mehrere Gaue der NSDAP in zunächst 16 Sportbereiche (später Sportgaue) zusammengefasst. Die bayerischen Gaue bildeten den Sportbereich 16 und die österreichischen Gaue ab 1938 den Sportbereich 17 (Ostmark).
Mit der Erweiterung des Reichsgebietes vergrößerte sich auch die Zahl der Sportbereiche.
Nummer | Lage des Sportbereiches
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Ostpreußen1
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Pommern2
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Berlin-Brandenburg3
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Schlesien4
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Sachsen5
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Mitte (Thüringen, Anhalt und die Provinz Sachsen)6
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Nordmark (Schleswig-Holstein, Ham-burg, Mecklenburg)7
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Niedersachsen8
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Westfalen9
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Niederrhein10
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Mittelrhein11
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Hessen12
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Südwest (Pfalz und ab 1935 Saargebiet)13
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Baden14
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Elsass14a
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Württemberg-Hohenzollern15
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Bayern16
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Ostmark (Österreich)17
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Sudetenland18
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Danzig-Westpreußen19
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Gau Wartheland
Die Sportbereiche bzw. Sportgaue waren weiter in Bezirke und Sportkreise unterteilt.
Erhebung zum NSRL und Auflösung
Durch Erlass Adolf Hitlers vom 21.12.1938 wurde der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen (DRL) zu einem „von der NSDAP betreuten Verband“ erhoben und in Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) umbenannt. Dies bedeutete, dass dieser Reichsbund von nun an der NSDAP unterstellt war. Mit Gesetz Nr. 5 der amerikanischen Militärregierung vom 31. Mai 1945 wurde die NSDAP mit allen ihren Einrichtungen und Organisationen – und damit auch der Nationalsozialistische Reichsbund für Leibeserziehung – aufgelöst.
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- Vorgängerorganisationen waren das Komitee für die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Athen (1895–1896), das Komitee für die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Paris (1899–1900), das Deutsches Komitee für die Olympischen Spiele in St. Louis 1904 (1903–1904) sowie der Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele (1904–1917). ↩
- Sommerspiele: Schlagball, Faustball, Korbball, Schleuderball, Ringtennis ↩