1868 Eisschiessen Allgmeine Spiele-Zeitung

Das Eis-Schießen

In früheren Zeiten war in strengen Wintern ein sehr beliebtes Spiel das sogenannte „Eis-Schießen“, womit sich besonders Fischer und Schiffer unterhielten. Historisch merkwürdig ist in Wien dieses Spiel dadurch geworden, daß bei einem großen Eisschießen, welches die Fischer und Schiffer in der damaligen Vorstadt Erdbruch (heute Erdberg) abhielten und bei welchem der damalige Herzog Leopold zugegen war, der englische König Richard Löwenherz, als Pilger nach England sich zurückbegebend, entdeckt und gefangen wurde. Solche große Eisschießen wurden in den frühern Zeiten regelmäßig abgehalten, bei welchen die damaligen Herzoge und nachherigen Erzherzöge nie fehlten, und die Spieler dann meistens mit Wein Braten bewirtheten. Vor einigen Jahren war auf Kosten mehrer Wiener Cavaliere in Schwarzenberggarten 1 eine eigene Eisbahn angelegt, wo sich die hohe Aristokratie mit Eisschießen belustigte und auch um ansehnliche Summen spielte.– ↑ –

Dieses Spiel ist für Jene, die an dem Schlittschuhlaufen kein besonderes Vergnügen finden und doch Bewegung im Freien und auch bei niedriger Temperatur lieben, sehr zu empfehlen. So wie man sich gern bei warmer Witterung auf Kegelbahnen mit Kegelschieben unterhält und so durch mäßige Bewegung seinen Körper stärkt und seine Gesundheit befördert, ebenso ist es im Winter gewiß von Vortheil und zur Abhärtung des Körpers dienlich, mäßige Anstrengung seiner Kräfte sich zu unterhalten.– ↑ –

Da in neuerer Zeit die Gymnastik zur Stärkung und des Körpers von allen Autoritäten in diesem Fache so warm empfohlen wird ist gewiß das Eisschießen durch seine dabei motwendigen Bewegungen und mäßige Anstrengung der Kräfte in gymnastischer Hinsicht von großem Vortheil und Nutzen und daher bestens anzuempfehlen. Im heurigen Winter hat sich in Wien ein eigner Eis-Verein gebildet, um durch Anlegung einer eignen Eisfläche für das Vergnügen der Schlittschuhläufer zu sorgen, daher wäre es sehr leicht würde gewiß großen Anklang finden, wenn auf dieser Eisbahn kleiner abgesonderter Theil für das Vergnügen des Eisschießens abgewidmet würde; denn die Auslagen und Vorbereitungen dazu sind gering und würden im reichlichen Maße wieder eingebracht werden.– ↑ –

Wir wollen nun das Spiel des Eis-Schießen einer Betrachtung und Beschreibung unterziehen und so zu seiner Verbreitung und Einführung nach Kräften beitragen.– ↑ –

Zum Eis-Schießen sind nur nöthig für jeden Theilnehmer ein Eisstock und einige kleine etwa einen halben Schuh lange viereckige Holzstückchen zum Markiren des Standes der Eisstöcke. Der Eisstock ist eine runde einen Schuh im Durchmesser haltende Scheibe aus hartem Holze mit einem eisernen Reif beschlagen und in der Mitte mit einem etwas über einen Schuh langen runden Stocke zum Anfassen beim Hinausschieben und Werfen versehen.– ↑ –

Dieses Spiel wird am besten unter vier bis acht Theilnehmern gespielt, unter weniger als vier Theilnehmern ist es nicht möglich, und sind mehr als acht Theilnehmer so dauert eine Parthie zu lange, und es ist für die Spieler sehr langweilig, da es sehr lange Zeit dauert bis einer endlich einmal zum Wurfe kommt.– ↑ –

Was die Länge der zum Eisschießen erforderlichen Bahn betrifft, so richtet sich diese nach der Beschaffenheit des Eises, ist dasselbe sehr glatt, so wird die Distanz größer sein als bei rauher weniger glatter Bahn, auch die Kraft, Stärke und Uebung der Spieler hat auf die Länge der Bahn einen bedeutenden Einfluß. Ist die Distanz, das ist die Länge der Bahn, bestimmt, so wird ein kleines viereckiges ,“Taube“ genannt, an das eine Ende der Bahn gelegt und von dem andern Ende mit dem Eisstock von jedem Theilnehmer des Spieles gegen die Taube geworfen. Ist dieses geschehen, so werden nach der geringeren oder weiteren Entfernung der geworfenen Eisstöcke von der Taube die Theilnehmer des Spieles in zwei Partheien getheilt. Sind z.B. sechs Spieler so gehören diejenigen drei, deren Eisstöcke der Taube am nächsten sind zu einer Parthei und die drei, deren Eisstöcke von der Taube am weitesten entfernt sind, zur andern Parthei. Sind acht Theilnehmer, so gehören die vier der Taube am nächsten zu einer, und die vier weiter Entfernteren zur anderen Parthei.– ↑ –

Derjenige, dessen Eisstock der Taube am nächsten liegt, heißt Engmaier und die Andern zu seiner Partei gehörenden Mitspieler heißen seine Knechte; während Derjenige, dessen Eisstock von den, die andere Partei bildenden Mitspielern der Taube am nächsten liegt Weitmaier genannt wird und seine Mitspieler bilden die Knechte. Ist die Anzahl der Spieler eine ungleiche z.B. fünf oder sieben so gehört immer zur Partei des Engmaiers die kleine Hälfte, bei fünf Mitgliedern also zwei bei sieben Mitgliedern drei; während zur Partei des Weitmaiers die größere Hälfte, bei fünf Spielern drei bei sieben Theilnehmern vier gehören.– ↑ –

Jeder von den beiden Maiern, der Eng- und Weitmaier, hat zwei Schuß (Wurf) jeder Knecht dagegen nur einen Schuß, nur bei ungleicher Anzahl von Spielern hat der dem Engmaier nächste Knechtm den Namen „Hängauf“ und auch zwei Schuß damit bei beiden Parteien die Anzahl der Schüsse (Würfe) gleich ist.– ↑ –

Nach diesen Vorkehrungen beginnt nun das Spiel. Die Taube bleibt an dem früher innegehabten Platze liegen und es hat nun der Weitmaier den ersten Wurf und sucht durch denselben seinen Eisstock der Taube so nahe als möglich zu bringen. Den zweiten Schuß (Wurf) hat nun der Engmaier der trachten muß, den Stock des Weitmaiers zu treffen und von der Taube zr entfernen; trifft der Engmaier nicht den Stock des Weitmaiers, so schießt dann sein erster Knecht und trifft auch dieser nicht, der folgende Knecht, trifft aber der Engmaier den Stock weg, so schießt der erste Knecht des Weitmaiers und sucht den Stock des Engmaiers von der Taube zu entfernen. Nachdem die Knechte ihren Wurf gethan, kommt der Meier wieder an den Wurf, den Platz seines Eisstockes markirt er mit einem der vorräthigen Holzstückchen. Diejenige Partei gewinnt, welche zuerst drei Eisstöcke der Taube am nächsten hat. Wenn eine Partei ihre Eisstöcke sehr nahe hat, und es haben von den Gegnern noch ein oder zwei einen Wurf, so müssen dieselben trachten mit ihren Eisstöcken die Taube selbst vom Platze wegzuschieben wodurch dann die Aussicht auf den Gewinn der Gegner vereitelt und ihrer Partei zugeführt werden kann.– ↑ –

Ist die Anzahl der Mitspieler ungleich, so hat nach dem zweiten Wurf des Eigmaiers der Hängauf auch seinen zweiten Wurf indem durch ein Holzstückchen auch die Stelle seines Eisstockes markirt wird. Da es sich meistens ereignet, daß nach den gethanenen Würfen keine Parthei drei Eisstöcke der Taube am nächsten hat, sondern nur zwei, so beginnt das Spiel von Neuem, und es kann dann der Fall eintreten, daß bei diesem Spiel die Gegenpartei zwei Eisstöcke der Taube am näheiten bringt, so daß zur Entscheidung ein drittes Spiel nothwendig wird, indem jede Partei ihre zwei von den frühern Spielen zählen kann. Hat bei dem dritten Spiel eine Partei ihren Eisstock am nähesten und es trifft Derjenige der Gegnerpartei. der am Wurf ist weder. den Eisstock von der Taube weg noch selbst die Taube, so hat die frühere Partei das Spiel gewonnen. In Hinsicht der Entfernungen der Eisstöcke von der Taube entstehen leicht Streitigkeiten und es ist dann ein genaues Abmessen mit einem Stocke oder am Besten einem Zollstabe nothwendig.– ↑ –

Was den Preis anbelangt, um welchen das Spiel gespielt wird, so richtet sich dieses nach dem früheren Uebereinkommen der Spieler; die beiden Maier gewinnen und verlieren das Doppelte von dem was ein Knecht gewinnt. Z.B. verliert es verliert oder gewinnt ein Knecht 5 kr hat der Maier 10 kr zu gewinnen oder zu verlieren; ebenso hat bei einer ungleichen Anzahl Spieler der Hängauf einen doppelten Gewinn oder Verlust zu tragen.

  1. Das Palais Schwarzenberg ist ein Palais im 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße. Es zählt zu den bedeutendsten barocken Gartenpalais Wiens.