Der geborene Gärtner
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Ein Gärtner ist ein Gärtner ist ein Gärtner 1. Und darum soll er sich um seinen Garten kümmern. Und der Garten meiner Abtei Ranshofen ist ja nun weiß Gott groß und geräumig und verlangt eine Fülle an Arbeiten während all der vier Jahreszeiten. Vielleicht, daß im Winter, wenn Schnee die Anlagen, die Beete und Wege bedeckt, die Arbeit ein wenig ruhen kann. Es wäre ja geradezu ein Fehler, den Schnee fortzuschaffen, er ist nämlich kein Leichentuch über der Flur, wie oft gedankenlos gesagt wird, sondern eine schützende und bergende Hülle! Ich, Abt Konrad von Burghausen 2, habe darum den Brüdern wie auch den Herren erlaubt und gestattet, daß sie sich im Winter wie die Bauern der Umgebung auch, ob sie nun der Herrschaft unserer Abtei oder der Abtei Reichersberg oder einer anderen weltlichen gräflichen Obrigkeit als Leibeigene angehören, dem Spiel mit dem Eisstock auf einem der Stiftsteiche hingeben mögen.
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Ich habe freilich auch zu meinen Mitbrüdern gesagt: Ein Mönch ist ein Mönch ist ein Mönch. Oder für uns Chorherren gesagt: Ein Herr ist ein Herr ist ein Herr. Und er bleibt es auch, wenn er den Eisstock schwingt. Jedermann müsse merken, wenn er einem Mönch oder einem Herrn beim Eisstockschießen zusieht, daß hier ein geweihter Mann schießt. Er steht unter einem anderen Gesetz. Er wird ernsthafter spielen und alle übermütigen Rechthabereien vermeiden und vor allem wird er nicht wie die rüpelhaften Bauern gottserbärmlich fluchen oder schelten, wenn einmal ein Schuß danebengeht, auch nicht in der lateinischen Sprache, die die Bauern zwar nicht verstehen, so daß sie nicht zum Bösen verführt werden können, was die Sache an sich aber nicht besser macht. Kruzifix und Sakrament sind, wiewohl lateinisch, natürlich auch dem einfachen Mann in Baiern verständlich und geläufig!– ↑ –
Ein Priester ist immer ein guter Verlierer, ja er ist, es so zu sagen, der geborene, ja der Christ ist an und für sich der ideale Verlierer! Ein Geistlicher wird einem Laien vor allem im Ertragen und Hinnehmen von Niederlagen ein Vorbild sein. Er wird sich im Augenblick der Erniedrigung und des Verlustes an das Gebet erinnern: O Herr, hier brenne, hier schneide, aber schone meiner in der Ewigkeit!– ↑ –
Im übrigen habe ich die Brüder und Herren ermahnt, sie sollen das Weltliche und das Geistliche schön trennen und nicht vor jedem Schuß die Heiligen und im besonderen den heiligen Sebastian anrufen, nicht vor jedem Stoß ein Stoßgebet zum Himmel senden! Wer etwa auch beim Kartenspielen immer wieder ein Kreuz schlägt, der ehrt damit nicht das Heilige, sondern setzt es herab. Die Heiligen haben etwas anderes und wichtigeres zu tun, als sich um Eisschützen zu kümmern und für Spieler am Thron Gottes vorstellig zu werden! Wer aber beim Spielen ein Gottesurteil erzwingen und Gott erpressen möchte, sollte nicht nur aus der Schar der Spieler, sondern aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen und exkommuniziert werden. Und wer ein Gelübde an einen Erfolg beim Spielen knüpft, handelt nicht nur blöde, sondern auch verwerflich, nicht gläubig, sondern „gläubisch“, ja, abergläubisch.– ↑ –
Ein Mönch wird auch niemals um Geld spielen. Wie soll er denn auch Geld einsetzen, wenn er das Gelübde der Armut abgelegt hat! Vergißt er sich aber und beteiligt er sich an Geldspielen und sei es und gelte es auch nur die Schanze einen kleinen Kreuzer, so werden die mitspielenden Bauern denken, der Herr Gregor hat das Geld der Kollekte vom Sonntag bei sich. Und die Bauern werden vielleicht auch glauben, es handle sich um jenes Geld, das sie beim sonntäglichen Offertorium geopfert und in den Klingelbeutel geworfen haben, und das wollen sie zurückhaben und sich wieder holen.– ↑ –
Ich kenne die Bauern, ich kenne die Bauern schon deswegen, weil ich selbst zwar nicht aus dem Bauernstande stamme, aber ihm sehr nahe stehe. Zur Herrschaft meines Bruders, des Erben unseres Geschlechtes in Burghausen, gehören immerhin achtundvierzig Hintersassen! Und so weiß ich natürlich, daß die Bauern, wenn sie unter sich sind, anders reden, als wenn sie sich beobachtet wissen. Wenn ich manchmal, wenn es mein Amt zuläßt, leutselig zu einer Gruppe von stockschießenden Landwirten an einen Teich wie jenen hinter der Meierei trete, so benehmen sich die Bauern natürlich manierlicher und christlicher, als sie es sonst gewöhnt sind. Und mancher Grobian, der vielleicht gerade noch lästerlich „Kruzifixsakrament“ geflucht hat, macht nun eine süße Miene und grüßt mich, den prioren Prälaten, mit „Gelobt sei Jesus Christus“ …
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Und ich weiß auch, daß die Bauern misstrauisch sind und ungern Männer eines anderen Standes, weder aus dem Adel, der sich an sich nicht gern gemein macht, noch aus dem Klerus, mitspielen lassen. Sobald ein Pfaff, wie sie sagen, anhalben ist, geht es auch schon verkrampft zu, und es ist, wie sie sich in ihrer bairisch-bäurischen Volkssprache auszudrücken pflegen, keine Gaudi nicht mehr. Das ist beim Eisstockschießen nicht anders als beim Kartenspielen, wenn sie mit dem Teufel seinem Gebetbuch hantieren, wie einmal ein seelsorglich verständiger Priester, Williram von Ebersberg, das Kartenspiel bezeichnet hat. Vielleicht wäre es, vom Standpunkt der Moral und der christlichen Ethik her gesehen, besser, wenn die Chorherren auch beim Eisstockschießen unter sich blieben, also rein klerikale Mannschaften bilden würden. Numerisch wäre das ja kein Problem, wenn man sieht, wie unser Stift Ranshofen die riesige Zahl an Chorherren kaum noch beherbergen und bewältigen kann. Und auch wenn es nur eine relativ geringe Anzahl von geistlichen Herrn ist und wenn es auch nur die jüngeren Kleriker sind, die ihre freie Zeit auf dem Eis verbringen, so gingen sich rein priesterliche Mannschaften durchaus aus. Das Kirchenrecht sagt natürlich nichts über diesen Punkt. Aber so wie es selbstverständlich ist, daß keine Frauen mitspielen dürfen, könnte man auch fragen, ob es gut ist, sich beim Spiel mit Vertretern anderer, vor allem niedrigerer Stände abzugeben, schon gar aber mit Anhängern anderer Religionen oder Agnostikern oder Atheisten, wenn es solche bei uns in Innbaiern gäbe! Fein sein und beinander bleiben, heißt es schließlich in einem unserer schönsten Volkslieder! Ich also sage, um es kurz zu machen, einen spielenden Geistlichen müsse man als solchen erkennen. Ist eh richtig, hat einmal ein pfiffiges Bäuerlein erwidert, man erkennt den Pfaffen, der Eisstock schießt, daran, daß er schlecht schießt … Der Priester ist ein miserabler, also ein erbarmungswürdiger Schütze …
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Das Chorherrenstift Ranshofen
Das Stift Ranshofen ist ein ehemaliges Kloster der Augustiner-Chorherren in Ranshofen, einem Stadtteil von Braunau am Inn in Oberösterreich. Ranshofen wurde erstmals urkundlich im Jahre 788 als herzoglicher Hof der Agilolfinger erwähnt. 1120 ist Ranshofen ein Herzogssitz der Welfen. Nach dem Frieden von Teschen 1779 (Der Friedensschluss zwischen Preußen und Österreich beendete den Bayerischen Erbfolgekrieg) kam Ranshofen mit dem Innviertel zu Österreich. 1810 kam das Innviertel wieder zu Bayern und schon ein Jahr später wurde das Kloster Ranshofen aufgelöst. Das Klostergebäude wurde zum Schloss profaniert, die ehemalige Stiftskirche ist die heutige Pfarrkirche Braunau-Ranshofen.