1911 Eisschießen in Kastl

Eisschießen in der Gegend von Kastl bei Altötting

Im Gebiet der unteren Alz hält fast jeder Wirt alljährlich sein sog. „Eisschießen“ ab. Die Teilnehmer bilden zwei Parteien, die in einem Spiel um den Sieg kämpfen. Eine Partei wird von den Unverheirateten gebildet, den „Buam“, die am Eisstock als Erkennungszeichen ein weißes Band tragen; die Gegner sind die Verheirateten, die „Manna“, deren Stöcke blau bebändert sind. Jede Partei wird von einem „Moar“ geleitet, sein Stock ist durch einen Hochzeitsbüschel kenntlich gemacht. Ein sog. „Hanswurst“ hält die Ordnung unter den ca. 30 – 60 (an verschiedenen Orten verschieden) Teilnehmern aufrecht. Hernach ist gemeinsames Mahl, die beiden Moar, die je ein Fass Bier bezahlen müssen, erhalten je eine seidene Fahne, ebenso derjenige Teilnehmer, der seinen Stock am weitesten schießen konnte. Der „Hanswurst“ geht einige Tage vorher von Haus zu Haus und lädt jedermann ein mit folgendem Sprüchlein:

Jetzt kimm i daher von der eiskalten Hitz
Mach meine Schnaxn und meine Schnitz.
Kennts mirs von außn o
Daß i nix gscheids im Sinn ho.
Ihr lieben Herrn und Frauen i soll eich sogn
Und soll euch zum Wirt in … zum Eisschießn lodn.
A Boh (Eisbahn) ham ma pfeilgrod und hint a wenig verzwickt,
Wia an Kobler sein Handochs, der is a a weng zwickt.
G’schoßn wird grad auf und o
dafür ist der Hanswurst do.
Wer net aufi kimmt, derf auf scheib’n
Koana derf heruntn bleib’n.
Schießn derf alles, Buama und Männa,
Gickal und Henna, viel ko i net nenna.
Hernach gehts aufi in d’Höh,
da wird gsuffa und gessen
und gsunga un gschian
Da werds oft oana gspürn
dromat an Hirn.
G‘Schoßn wird mit an Turm
und wanns d’Manna verliern,
na gwinnas den Buam.
Zu essn gibt’s a Karmanadl,
a Stucki Bratl,
A gselchte Wurst,
kriagst sakrisch viel Durst.
Und a Maß Bia
nach is lang nimma schia.
Eisschießn tun mir zwischn Dinglfing und Weilthaus’n
Hinterm Wirt seiner neubautn Klaus’n.
Kemma müst’s gwiß,
sunst is mei ganza Schmatz umasiest (umsonst).
Also richts eua a bisl a kleans Geld szamm
Und laßts an Eisstock nicht dahoam.
An schön Gruß vom Herrn Wirt und der Frau Wirtin
ös sollt‘s gwiss kemma
Und a Geld und an Eisstock mitnehma.

P.S. Es wäre noch beizufügen, dass selbstverständlich jede Partei gleichviel Schützen zählen muss. Jeder einzelne sucht sich dann einen Gegner, mit dem er in der Regel um das Mahlgeld (1 Mark bis 1,50 Mark) wettet.

Hilfslehrer Max Fellermeier in Kastl

  1. Herausgegeben von Kurat Christian Frank, Kaufbeuren, geb. 26. Mai 1867; gest. 8. Juli 1942, deutscher Priester, Heimatforscher, Gründer der Vereins „Heimat“. Gilt auch als Wegbereiter des Euthanasieprogramms im Nationalsozialismus – und ist deshalb äußerst umstritten. Im Jahre 2015 wurde in Kaufbeuren eine vormals nach ihm benannt Straße umbenannt.