1876 Eisschiessen Spiele und Reime der Kinder

Spiele und Reime der Kinder in Österreich

Spiele verschiedener Art – I. Das Eisschießen

Jeder Spieler hat einen sg Eisstock, das ist ein drei bis vier Fuß langer Stock der mit seinem unteren Ende in einer runden, von einem eisernen Ringe umspannten hölzernen Platte steckt. Um den Stock bequemer werfen zu können, ist in der Mitte desselben eine Handhabe angebracht. Man sucht eine taugliche Eisbahn und legt an die Enden derselben kleine Steine, sogenannte „Daupen“, Bei Beginn des Spieles wird „gemoarlt“, das heißt, jeder Spieler schleudert seinen Stock von dem einen Ende der Bahn zur Daupe. Jene Eisschützen, deren Stocke der Daupe zunächst liegen, heißen „die engen“, und bilden mit dem „Engmoar“ eine Partei, wahrend die übrigen, mit dem „Weitmoar“ die andere Partei bilden.– ↑ –

Wenn die Zahl der Spieler groß genug und ungerade ist, und wenn die Stöcke beider Parteien verschossen sind, so „legt sich“ der Engmoar, das heißt er kennzeichnet den Platz, auf welchem sein Stock beim ersten Wurfe liegen geblieben ist und „schießt“ noch einmal. Ist hingegen die Anzahl der Spieler gerade oder ist Not an Schützen, so legt sich auch der Weitmoar. Dann schießt der Weitmoar zuerst nach der Daupe. Ihm folgt der Engmoar, der trachten muß, den „Schuß“ des ersteren dadurch zu verschlechtern, daß er den Stock des Weitmoars von der Daupe wegzuschleudern trachtet. Gelingt dieses dem Engmoar nicht, so muß es ein anderer Spieler dieser Partei zu tun versuchen. Wurde hingegen der Stock des Weitmoars von der Daupe weggeschleudert, so „schießt“ wieder einer der „Weiten“. Hat dieser einen guten „Schuß“, so daß er nahe zur Daupe gekommen ist, so trachtet abermals einer der „Engen“ diesen Stock von der Daupe wegzuprellen. Haben alle die Eisschützen ihre Stöcke „verschossen“, so begeben sich beide Parteien zu dem entgegengesetzten Ende der Bahn, um zu untersuchen, wessen Stock der Daupe am nächsten liegt. Hierbei gibt es manchmal Zwistigkeiten, weil oft die Stöcke hart neben einander liegen.– ↑ –

Bringt eine Partei einen Stock am nächsten zur Daupe, so daß der zweite der Daupe zunächst stehende Stock der anderen Partei gehört, so zählt die erste „sechs“. Hat hingegen eine Partei zwei Stöcke am nächsten zur Daupe gebracht, so daß der dritte der Daupe zunächst liegende Stock der anderen Partei gehört, so zählt erstere „neun“. Bringt aber eine Partei drei Stöcke der Daupe zunächst, so hat diese Partei das Spiel gewonnen. Zählt eine Partei „sechs“ oder „neun“, so schießt der „Moar“ der verlierenden Partei zur anderen Daupe zurück. Diesem Schützen folgt der Moar der Gegenpartei; dann folgt wieder ein Spieler der verlierenden Partei und so wird das Spiel fortgesetzt, bis es zu Gunsten der einen oder der anderen Partei entschieden ist.

  1. Theodor Vernaleken, geb. 28. Januar 1812 in Volkmarsen; gest. 27. Februar 1907 in Graz; deutscher Germanist, Volkskundler, Pädagoge und Seminardirektor und Professor in Wien.
  2. Franz Branky, geb. 1842 in St. Helena, gest. 1911 in Wien; österr. Pädagoge